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Ausgabe:

April/2024

Spalte:

327

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Körtner, Ulrich H. J.

Titel/Untertitel:

Mapping the Fields. Wissenschaftsbiographische Einblicke.

Verlag:

Wien: Evangelischer Presseverband in Österreich 2023. 170 S. ISBN 9783850733236.

Rezensent:

Ralph Kunz

Biographien von Wissenschaftlern sind ein eigenartiges Genre wissenschaftlicher Prosa, vor allem in der Theologie. In ihnen reflektiert jemand seinen Denkweg, verortet sich im Feld, sagt, woher er kommt und woran er sich orientiert hat. Im vorliegenden Band gibt Ulrich Körtner, Professor für reformierte Theologie an der Universität Wien, Einblick in seinen theologischen Werdegang. Der Titel verrät, worum es ihm geht: Mapping the Fields. Mit Feldern sind Arbeitsthemen gemeint, Themen, die den Theologen Körtner in den dreißig Jahren seines Schaffens beschäftigt haben. In diesen Feldern werden grundlegende Einsichten und Anliegen erkennbar, die das Ganze zu einem Gesamtwerk verbinden, eine Art Grammatik erkennen lassen oder – in einer anderen Metapher – eine Stimme hörbar machen. Es ist eine gewichtige, pointierte und prononcierte Stimme, die man wiedererkennt – klar, kompetent und originell.

Ein guter Einstieg ist der erste Beitrag, in dem K. seinen Werdegang schildert und sich als deutscher Migrant in Österreich outet. Vor diesem Hintergrund werden Denklinien nachvollziehbar, die zu den großen Themen führen, die K. beschäftigen: die Diasporaexistenz der Kirchen in der pluralistischen Gesellschaft und die öffentliche Theologie. Mit diesen Stichwörtern verbinden sich unterschiedliche und spannungsreiche Anliegen evangelischer Existenz. Die Erfahrung, einer protestantischen Minderheit anzugehören und als Theologe in einer katholischen Mehrheit zu wirken, sensibilisiert für beides: für das selbstbewusste publice docere (Augsburger Bekenntnis, Artikel 14) und für die Selbstbescheidung eines christlichen Lebens, das sich nicht mit Macht, sondern mit dem besseren Argument Gehör verschafft.

Öffentlich theologisieren kann nur, wer streiten kann, ohne sich zu zerstreiten, aber es gleichzeitig schafft, das Evangelium zu kommunizieren, ohne den Streitpartnern das Gefühl zu geben, sie seien die Objekte einer Mission. K. weiß, wie das geht, hat es geübt und eindrücklich bewiesen mit seiner Arbeit am Lehrstuhl für Reformierte Theologie, seinem Einsatz für die Rudolf-Bultmann-Gesellschaft für Hermeneutische Theologie und dem Engagement für das Wiener Institut für Ethik und Recht in der Medizin. Der Geschichte und Entwicklung dieser Einrichtungen widmen sich drei Beiträge. Zur Wissenschaftsbiografie gehört, dass die Leser erfahren, welche innere Ausrichtung die Entstehung der äußeren Einrichtungen begleiten. In einem schönen Essay widmet sich K. den »Anfängen des Verstehens« und zeigt auf, was er von Dietrich Bonhoeffer gelernt hat. »Was aber von Bonhoeffer zu lernen ist«, meint K., »das ist die Bereitschaft zur Redlichkeit, die uns dazu führt, unsere Lage vor Gott wahrhaftiger zu erkennen« (55). Dass die kleine und feine Sammlung zerstreuter Publikationen und Vorträge mit einer »Theologie für die Krise – Theologie in der Krise« schließt, mag man angesichts der gegenwärtigen Großwetterlage als Omen ansehen oder mit einem Amen quittieren – dankbar für K.s Bereitschaft zur Redlichkeit.