Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

April/2024

Spalte:

263-280

Kategorie:

Aufsätze
Kirchengeschichte: 20. Jahrhundert, Zeitgeschichte

Autor/Hrsg.:

Julia Knop

Titel/Untertitel:

Der Synodale Weg der römisch-katholischen Kirche in Deutschland (2019–2023)
Ansatz, Prozess, Ergebnisse, Kritik

I Synodale Wege im römischen Katholizismus: in der Weltkirche und in Deutschland



Synodalität ist im Pontifikat von Papst Franziskus Programm. Sie wird römisch-katholisch jedoch nicht als Kirchenleitung im Team von Bischöfen und »Lai:innen« konzipiert, sondern an die hierarchisch-amtliche Struktur der römischen Kirche angepasst. Beratung und Entscheidung werden dazu nach Phasen und Personen getrennt. Diese Trennung gilt als römisch-katholisches Spezifikum.1 In Konsultationsphasen werden die Gläubigen (zunehmend) gehört und beteiligt. Entscheidungen bleiben auf Bistumsebene dem Bischof und auf weltkirchlicher Ebene den Bischöfen und dem Papst vorbehalten. Synodalität im Sinne institutionalisierter Kirchenleitung ist römisch-katholisch damit identisch mit der Leitung durch das Kollegium der Bischöfe, die als Gemeinschaft cum et sub Petro zu Entscheidungen kommen bzw. ihrerseits als Berater des Papstes fungieren.

Diese besondere römisch-katholische Lesart von Synodalität bildet auch die in mehreren Etappen aufgesetzte Weltbischofssynode »Für eine synodale Kirche. Gemeinschaft, Teilhabe, Sendung« ab, die Papst Franziskus 2021 initiiert hat.2 Dieser Prozess begann mit einer weltweiten Konsultation der Gläubigen (2021), deren Stimme durch die Bischöfe und die nationalen Bischofskonferenzen gesammelt (2022) und dann in kontinentalen Versammlungen (2023) beraten wurden. Zwei Bischofssynoden (2023 und 2024) sollen die Erfahrungen und Voten auswerten und in einem Abschlussdokument bündeln, das wiederum dem Papst als Beratungsgrundlage seiner finalen Entscheidung dient. Nach jahrelangen Forderungen nach Beteiligung von Laien und Laiinnen auch in den finalen Beratungs- und Entscheidungsphasen werden zur Bischofssynode 2023 nun erstmals 80 von den Bischofskonferenzen vorgeschlagene und vom Papst benannte Frauen und Männer (darunter zehn Ordensleute) mit Sitz und Stimme zugelassen. Sie bringen zwar synodale Erfahrungen aus den kontinentalen und ortskirchlichen Phasen des Prozesses ein. Mit rund 20 % der Versammlung können sie für die mehrheitlich zu treffenden Beschlüsse aber nicht ausschlaggebend sein.

Anlass und Aufgabe dieses weltsynodalen Prozesses ist nach dem Willen des Papstes Synodalität als solche: Gläubige und Bischöfe sollen miteinander ins Gespräch treten und eine synodale Kultur einüben, deren wichtigstes Moment das Aufeinanderhören sei. Die Ortskirchen sollen einander in ihrer Heterogenität kennenlernen und Wege der Verständigung entwickeln. Dies geschieht während der verschiedenen synodalen Versammlungen im Format des »geistlichen Gesprächs«, das dezidiert nicht diskursiv oder kontrovers angelegt ist, sondern alle Stimmen zu Wort und ins Gebet bringen soll. Parlamentarische Diskursformate und (Kampf-)Abstimmungen sollen explizit vermieden werden. Anstelle von Mehrheitsvoten sollen Konsense durch eine »Unterscheidung« des Gehörten erzielt werden, für die die Bischöfe und der Papst Erst- und Letztverantwortliche sind.

Diskursformat und Themenstellung des im März 2023 abgeschlossenen synodalen Prozesses in Deutschland waren erkennbar anders. Der am 1.12.2019 gestartete »Synodale Weg der katholischen Kirche in Deutschland« (SW) wurde gemeinsam von der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) und dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK), den beiden repräsentativen Organen des römischen Katholizismus in Deutschland, konzipiert, durchgeführt und verantwortet.

Dieses Format eröffnete katholischen Bischöfen und Gläubigen in Deutschland synodale Erfahrungen anderer und weitergehender Art, als es kirchliches Recht und kirchliche Praxis bisher vorsehen. Die Gläubigen wurden nicht nur gehört, sondern waren Subjekte des ganzen Beratungs- und Entscheidungsprozesses. Beschlüsse wurden in den Synodalversammlungen in Frankfurt (zumindest formal) durch qualifizierte Mehrheiten statt durch amtliche Autorität generiert.

Die Umsetzung der Beschlüsse bleibt dennoch ganz im Rahmen des Kirchenrechts in bischöflicher Hand: Denn »Beschlüsse der Synodalversammlung entfalten von sich aus keine Rechtswirkung. Die Vollmacht der Bischofskonferenz und der einzelnen Diözesanbischöfe, im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeit Rechtsnormen zu erlassen und ihr Lehramt auszuüben, bleibt durch die Beschlüsse unberührt.«3 Dass der Synodale Weg den Bischöfen »das Genick gebrochen« oder das Bischofsamt »entkernt« hätte (wie Walter Kardinal Kasper meint), ist deshalb schlichtweg falsch. Das von Anfang bis Ende kooperative Format bot jedoch das Potenzial, römisch-katholisches Selbstverständnis und kirchliche Strukturen performativ zu verändern – mit den Bischöfen, nicht gegen sie, und stets in Verbindung mit einer intensiven Reflexion darüber, was das Bischofsamt im 21. Jh. sein kann. Das ist dringend nötig.

II Anlass und Aufgabe



Anlass des synodalen Reformprozesses in Deutschland war die Krise des Systems römisch-katholische Kirche im Allgemeinen und des ordinierten Amtes im Besonderen. Im Herbst 2018 waren die Ergebnisse der MHG-Studie »Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz« publiziert worden.4 Darin wurden für den Bereich der DBK sexualisierte Gewalttaten von Klerikern an Schutzbefohlenen dokumentiert und analysiert. Im Untersuchungszeitraum von 1946 bis 2014 fanden sich in den kirchlichen Personalakten von ca. 5 % der Diözesanpriester Hinweise darauf, dass sie des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger beschuldigt wurden. Damit ist lediglich eine untere Schätzgröße benannt, zumal erhebliche Mängel und bewusste Manipulation in der bischöflichen Aktenführung deutlich geworden waren. Das Dunkelfeld blieb in dieser Studie ebenso unberücksichtigt wie Macht- und sexueller Missbrauch sowie spiritueller Missbrauch an Erwachsenen, vor allem an Frauen in Orden und geistlichen Gemeinschaften.5

Seither sind viele weitere Gutachten und Recherchen erschienen bzw. in Arbeit. Sie bestätigen die bisher bekannten Zahlen von Tätern und Betroffenen, konkretisieren Täterschaften und Tathergänge. Sie erhellen Mechanismen der Vertuschung, Verharmlosung und Leugnung klerikaler Gewalt in der Kirche. Einige Studien fokussieren einzelne Gemeinschaften oder Institutionen (z. B. die Schönstatt-Bewegung, die Integrierte Gemeinde oder die Regensburger Domspatzen). Unterschiedliche Zeiträume werden bearbeitet. Journalistische Recherchen zu einzelnen (Mehrfach-)Tätern (z. B. Priester Peter H., in den [Erz-]Bistümern Essen und München-Freising), anlässlich von Strafprozessen (z. B. gegen Pfarrer Ue. aus dem Erzbistum Köln vor dem Landgericht Köln) oder Bistümern (z. B. zum Bistum Trier) zeichnen ein Bild der Menschen hinter den Strukturen und Vorgängen: der Täter, der Vertuscher und der vielfach vergessenen und missachteten Opfer kirchlicher Gewalt. Einige Gutachten (z. B. in den [Erz-]Bistümern Köln, Aachen und München-Freising) arbeiten auf kirchlicher Aktenbasis; sie benennen justiziable Fakten und Pflichtverletzungen leitender Verantwortlicher. Andere (z. B. in den [Erz-]Bistümern Münster, Paderborn, Essen und Freiburg) setzen auf historische, anthropologische und kriminologische Expertise; sie erhellen in Fallstudien problematische institutionelle, atmosphärische und ideologische Zusammenhänge.

Keine einzige Studie hat die bisher bekannten Zahlen widerlegt oder unterschritten. Es kann kein Zweifel mehr daran bestehen, dass es spezifisch römisch-katholische Faktoren gibt, die die körperliche und geistige, psychische und spirituelle Integrität von Kindern und Jugendlichen sowie (Ordens-)Frauen im Raum der römisch-katholischen Kirche gefährden, weil sie Missbrauch nicht verhindern und Vertuschung begünstigen: die religiöse Überhöhung der Institution, des geistlichen Amtes und des Klerikerstandes, deren Reputation und Selbstverständnis um jeden Preis bewahrt werden sollten, männerbündische Strukturen und Gewohnheiten, ein homophiles Milieu bei gleichzeitiger Homophobie in kirchlicher Lehre und im kirchlichen Umgang, ebenfalls in Doktrin und Habitus verankerte Misogynie sowie eine von Tabus, Restriktionen und Angst geprägte Sexualethik. In Verbindung miteinander wirken diese Faktoren toxisch, da sie sexuell unreifen bzw. regressiven und narzisstischen Männern ein äußerst problematisches Rollenangebot machen und sie selbst dann noch, wenn sie zu Tätern werden, schützen – auf Kosten und zu Lasten derer, die ihren physischen, sexuellen, psychischen und spirituellen Übergriffen zum Opfer fielen und fallen.

Der Synodale Weg greift deshalb die Themen Macht, Priesterbild, Frauenbild und Sexualethik auf – primär mit Blick auf ihre problematischen Auswirkungen und ihren prekären Zusammenhang im Kontext klerikaler Gewalt, aber auch im Sinne des grundsätzlichen Reflexions- und Erneuerungsbedarfs, den Gläubige und Theologen seit Jahrzehnten benennen. Ihr Votum hatte bisher allerdings keinen ernsthaften Reformprozess initiiert. In den Pontifikaten von Johannes Paul II. und Benedikt XVI. war die Debatte um Macht- und Geschlechterfragen regelrecht tabuisiert worden. Aber nun ist in diesen Themen, gerade in ihrer Verwobenheit, ein besonderes Gefährdungspotenzial für sexualisierte Gewalt und spirituellen Missbrauch identifiziert worden.

Der Synodale Weg in Deutschland hat sich die Aufarbeitung dieser toxischen Zusammenhänge zur Aufgabe gemacht. In vier Arbeitsgruppen, den sogenannten »Synodalforen«, wurde zu den Themen Macht und Gewaltenteilung in der Kirche (1), priesterliche Lebensform (2), Frauen in Diensten und Ämtern der Kirche (3) und zur kirchlichen Sexuallehre (4) gearbeitet.6 Akademietagungen, Netzwerke und fachwissenschaftliche Publikationen7 haben den Prozess intensiv begleitet. Darüber hinaus sind etliche Bücher und Podcasts im katholisch noch recht neuen Genre erzählten Lebens entstanden: Erfahrungsberichte von Missbrauchsbetroffenen, queeren Katholiken und kirchlichen Mitarbeitern8 und autobiographische Berichte von Frauen, deren Berufung zu einem ordinierten Amt an den römisch-katholischen Zulassungsbedingungen scheitert.9

III Ansatz und Kritik



Grundlage des Reformprojekts SW ist die Erkenntnis, dass die Auseinandersetzung mit klerikalem Missbrauch in der römisch-katholischen Kirche nicht auf individualethische Aspekte beschränkt werden darf. Es müssen vielmehr systemische Faktoren kritisch in den Blick genommen werden, also Strukturen und Verhaltensweisen, Sprache und Symbolik, Spiritualität und Theologie der Kirche, des Amtes, des Frauenbildes, der kirchlichen Sexualethik und der Geschlechteranthropologie, die Machtmissbrauch begünstigen. Missbrauch durch Kleriker wird also nicht als bedauerlicher, eigentlich unerklärlicher Ausnahmefall in einem an sich lebensdienlichen System Kirche verstanden, sondern als Symptom von prekären Grundeinstellungen, theologisch ausgedrückt: von »Strukturen der Sünde« dieser Kirche.

An diesem Punkt setzen Kritiker und Kritikerinnen des SW an, die dem Reformprozess »Missbrauch des Missbrauchs« vorwerfen: Der SW instrumentalisiere die »Missbrauchskrise«, um davon völlig unabhängige »Reformagenden« der 1968er Jahre in der Ekklesiologie, der Amtstheologie, der Geschlechteranthropologie und der kirchlichen Sexuallehre durchzusetzen. (Macht-)Missbrauch durch Kleriker habe jedoch keine ekklesiogenen Ursachen, sondern dringe von außen (durch eine »Übersexualisierung« der Gesellschaft, Glaubensschwäche, Säkularisierung) in die Kirche ein. Kirchenlehren und -strukturen dürften deshalb gerade nicht »aufgeweicht« werden, sie müssten vielmehr stabilisiert werden. Das kirchliche Machtgefüge und Priesterbild dürften gerade nicht »demokratisiert« und entsakralisiert werden, vielmehr müsse der Unterschied zwischen Kirche und säkularer Gesellschaft umso stärker betont werden. Sexualethische Normen und Geschlechterbilder dürften gerade nicht zeitgemäß angepasst werden, sie müssten vielmehr rigoros eingeschärft werden, um Missbrauch zu verhindern.

Problemdiagnose und Therapie werden von Engagierten des SW einerseits, Kritikern des SW andererseits, also gegenläufig bestimmt, je nachdem, ob Missbrauch durch Kleriker als bedauerliche Ausnahme eines im Kern heilen und heiligen Systems oder aber als typisches Symptom und innere Konsequenz eines wenigstens in Teilen prekären kirchlichen (klerikal-hierarchischen) Gefüges gewertet werden:

– Wenn klerikaler Missbrauch ein Fremdkörper im System ist, muss jeder einzelne Fall sorgfältig aufgeklärt und geahndet werden. Aber eine Korrektur von Strukturen, Lehren und Spiritualitäten ist dann weder nötig noch hilfreich.

– Wenn klerikaler Missbrauch hingegen als Konsequenz grundlegender ekklesiologischer Fehlsteuerungen verständlich wird, ist die Auseinandersetzung mit diesen systemischen, Missbrauch begünstigenden Faktoren in Lehre und Leben der Kirche zwingend erforderlich. Dann müssen auch systemische Korrekturen erfolgen. Dann muss das System einer klerikalen Kirche im Ganzen auf den Prüfstand. Von daher erklärt sich der heftige Widerstand gegen das Reformprojekt SW vonseiten der römischen Kurie und von Teilen der Weltkirche.

IV Format und Beteiligte



Gemeinsame Verantwortung von Bischöfen und Laien auf allen Ebenen und in allen Phasen des synodalen Prozesses ist das zentrale Spezifikum des SW. Organe des SW10 waren die Synodalversammlung, das Synodalpräsidium, das erweiterte Synodalpräsidium sowie die Synodalforen.

– Das Synodalpräsidium bestand aus dem Vorsitzenden (bis März 2020 Reinhard Kardinal Marx, Erzbischof von München, seither Georg Bätzing, Bischof von Limburg) sowie dem stellvertretenden Vorsitzenden der DBK (Franz-Josef Bode, Bischof von Osnabrück), und dem Präsidenten bzw. der Präsidentin (bis November 2021 Thomas Sternberg, seither Irme Stetter-Karp) und einer Vizepräsidentin bzw. einem Vizepräsidenten des ZDK (bis November 2021 Karin Kortmann, seither Thomas Söding).

– Zum Erweiterten Synodalpräsidium gehörten neben diesen vier Personen die Vorsitzenden der Synodalforen sowie die beiden geistlichen Begleiter des Prozesses (Maria Boxberg und bis zu seinem Tod im Juli 2021 Bernd Hagenkord SJ, danach Siegfried Kleymann).

– Die vier Synodalforen bestanden aus je ca. 30 Mitgliedern (Bischöfe, Gläubige und Fachexperten und -expertinnen). Sie wurden jeweils von einem Mitglied der DBK und einem Mitglied des ZdK geleitet. Sie arbeiteten zu 1) »Macht und Gewaltenteilung in der Kirche – Gemeinsame Teilnahme und Teilhabe am Sendungsauftrag« unter der Leitung von Claudia Lücking-Michel (ZdK) und Bischof Franz-Josef Overbeck (DBK, Bistum Essen); 2) »Priesterliche Existenz heute« unter der Leitung von Stephan Buttgereit (ZdK) und Bischof Felix Genn (DBK, Bistum Münster); 3) »Frauen in Diensten und Ämtern der Kirche« unter der Leitung von Bischof Franz-Joseph Bode (DBK, Bistum Osnabrück) und Dorothea Sattler (ZdK); 4) »Leben in gelingenden Beziehungen – Liebe leben in Sexualität und Partnerschaft« unter der Leitung von Bischof Helmut Dieser (DBK, Bistum Aachen; bis zur Übernahme des DBK-Vorsitzes im März 2020 war Bischof Georg Bätzing bischöflicher Vorsitzender dieses Forums) und Birgit Mock (ZdK).

– Das entscheidende Gremium des Synodalen Wegs war die Synodalversammlung, der rund 230 Personen angehörten. Die Synodalversammlung bestand aus allen (bis zu 69) Mitgliedern der DBK, ebenso vielen Vertretern und Vertreterinnen des ZdK sowie 92 Vertretern verschiedener Berufs- und Interessensgruppen der Kirche, u. a. der Priester, der Gemeindereferenten und -referentinnen, der Religionslehrer und -lehrerinnen sowie der Orden, aber auch der jungen Generation (u30) und der akademischen Theologie. Der Verteilungsschlüssel führte dazu, dass knapp die Hälfte der Synodalen Kleriker waren. Rund ein Drittel der Versammlung stellten die Bischöfe, ein weiteres Drittel (63) waren Frauen. Die Empfehlung der Satzung, eine geschlechter- und generationengerechte Besetzung anzustreben (Art. 3.1), wurde schon aufgrund der hohen Zahl von (leitenden) Klerikern bei weitem nicht eingelöst. Dennoch war die Einbindung der Bischöfe in ein Gremium, in dem sie weder die einzige Spitze noch die Mehrheit stellen, und die Präsenz von immerhin einem Drittel Frauen im Plenum für römisch-katholische Verhältnisse ein Novum und insgesamt eine gute Erfahrung.

Benachbarte Bischofskonferenzen, die EKD und die ACK haben Beobachter bzw. Beobachterinnen entsandt; auch der römische Nuntius sowie Vertreter und Vertreterinnen der Weltkirche nahmen regelmäßig oder punktuell an den Versammlungen teil und trugen ihre Wahrnehmungen und Reflexionen dort öffentlich vor.

V Beraten und Entscheiden



Der SW war ein Forum für Austausch und Reflexion, Analyse und Debatte. Die Sacharbeit erfolgte zunächst in den Synodalforen, die Beschlussvorlagen vorbereitet und der Synodalversammlung vorgelegt haben. Alle Texte passierten zwei Lesungen. Während in der ersten Lesung eine einfache Mehrheit des Plenums ausreichte, um weiterzuarbeiten, war für den Beschluss eines Textes eine doppelte Zweidrittelmehrheit erforderlich: die des Plenums (inklusive Bischöfe) und die der Bischöfe. Außerdem konnte auf Antrag die Mehrheit der nicht-männlichen Mitglieder ausgewiesen werden. In beiden Abstimmungsgängen konnte zudem namentliche Abstimmung beantragt werden – eine vor allem unter vielen Bischöfen kritisch gesehene Option.

Um einen finalen Beschluss zu fassen, brauchte es bei voller Besetzung also (gleichzeitig) wenigstens 154 Ja-Stimmen (inklusive möglicher bischöflicher Stimmen) aus dem Plenum, wenigstens 46 Ja-Stimmen aus dem Kreis der Bischöfe und wenigstens 42 Stimmen der nichtmännlichen Synodalen. Um einen Beschluss zu verhindern, reichte aufgrund der nötigen doppelten Zweidrittelmehrheit bereits eine Sperrminorität von 24 bischöflichen Stimmen, also von gut 10 % der Versammlung. Denn die Bischöfe waren aufgrund der nötigen Bischofsmehrheit sowohl in ihrer Mitgliedschaft (qua Amt, nicht durch Delegation oder Wahl) als auch aufgrund ihrer kirchenrechtlich vorgeordneten Position privilegiert.

Beschlüsse, die nur weltkirchlich umgesetzt werden können, wurden (bzw. werden noch) dem Apostolischen Stuhl als Voten übermittelt. Die Umsetzung der Beschlüsse, die sich im Rahmen des geltenden Rechts bewegen, obliegt den Ortsbischöfen als Leitern der Diözesen. Ein Bischof, der einem mehrheitlich getragenen Beschluss persönlich nicht zustimmt, ist (formal) also frei, ihn in seinem Bistum nicht umzusetzen. Darin lag die strukturelle Schwäche dieses Reformprozesses: Der SW hatte zwar ausdrücklich die Aufgabe, Machtverhältnisse in der katholischen Kirche kritisch zu reflektieren und zu reformieren. Er sollte neue Wege erarbeiten, klerikale Macht zu teilen, zu begrenzen und zu kontrollieren. In der Entscheidungsfindung schlug sich das aber noch nicht nieder. Hier galten die bisherigen Regeln der vielfachen Privilegierung der Bischöfe im Rahmen eines absolutistischen Kirchensystems unangetastet weiter. Hier zählte die Bischofsmehrheit, letztlich sogar der »good will« jedes einzelnen (Orts-)Bischofs.

Ein wichtiges Instrument, um die strukturelle Schwäche des SW produktiv zu wenden, war deshalb die Idee einer Selbstbindung der Bischöfe: Sie können, wenn sie wollen, qua bischöflicher Vollmacht ihre bischöfliche Macht begrenzen, teilen, sich an Gremienentscheidungen, vereinbarte Abläufe und regelmäßige Kontrolle binden und freiwillig Rechenschaft über die eigenen Entscheidungen ablegen – auch dann, wenn das Kirchenrecht ihnen Erst- und Letztzuständigkeit zubilligt und Rechenschaft nur gegenüber übergeordneten Instanzen von ihnen fordert.

Insgesamt ging es weniger um die strukturelle »Schlagkraft« der Synodalversammlung, die angesichts der gegebenen kirchlichen Regelungen faktisch nichts anderes als ein qualifiziertes Beratungsorgan für die Bischöfe sein konnte. Es ging um Überzeugungsarbeit und die Ereignisqualität der Beratungen, um die moralische und politische Bindekraft der gemeinsam errungenen Entscheidungen. Am Ende zählte, ob die einzelnen Bischöfe selbst die Notwendigkeit von Reformen sahen. Ob sie sich in die Debatte einbrachten und an den Texten mitarbeiteten. Ob sie bereit und in der Lage waren und sind, die gefassten Beschlüsse auch tatsächlich zu implementieren. Das ist bisher allenfalls zögerlich und punktuell geschehen und wird seitens der römischen Kurie mit scharfer Kritik und Blockade bedacht.

VI Ergebnisse: Die Texte



In den vier Synodalforen wurde intensiv gearbeitet. Jedes Forum legte einen so genannten »Grundtext« von 30–40 Seiten vor. Darin wurden die theologischen Prinzipien der Erneuerung, bezogen auf das jeweilige Thema, entfaltet und begründet. Außerdem wurden sogenannte »Handlungstexte« von 2–4 Seiten erarbeitet. Darin stehen konkret umsetzbare und evaluierbare Empfehlungen für die kirchliche Lehre und Praxis. Je nach Thema werden die Bischöfe, der Papst oder die Weltkirche angesprochen. Vorangestellt wurden eine Präambel sowie ein »Orientierungstext« aus dem Präsidium. Insgesamt wurden neben der Präambel 15 Texte11 mit allen nötigen Mehrheiten beschlossen: Im Plenum lag die Zustimmung durchweg bei über 80 %, bei den Frauen meist bei über 90%, bei den Bischöfen immerhin bei über 70 %.

– Die Präambel ordnet das Vorhaben des SW in den Kontext von Missbrauch und Vertuschung durch (leitende) Kleriker der römisch-katholischen Kirche ein und erläutert, dass und warum systemische Korrekturen notwendig und nicht das Gegenteil, sondern die Voraussetzung einer glaubwürdigen und zeitgemäßen Verkündigung des Evangeliums sind.

– Im Orientierungstext werden den »Zeichen der Zeit« (Gaudium et Spes 4) und dem »Sensus Fidelium« (Lumen Gentium 12) konstitutive Bedeutung für Lehre und Leben der Kirche zugemessen. Sie sind im Zweiten Vatikanischen Konzil herausgestellt, aber seither nicht wirksam operationalisiert worden. Außerdem wird das bischöfliche Lehramt aus seiner isolierten Sonderstellung heraus und in ein Netzwerk von Bezeugungsinstanzen der apostolischen Überlieferung (loci theologici) hineingestellt: Schrift und Tradition, Lehramt und Theologie, sensus fidelium und Zeichen der Zeit werden als qualifizierte Orte theologischer Erkenntnis genannt.

– Der Grundtext des Forums 1 »Macht und Gewaltenteilung in der Kirche« expliziert die Kirche mit einem zentralen Bild des Konzils als »Sakrament des Heils« (Lumen Gentium 1; 48), d. h. als Zeichen (signum) und Werkzeug (instrumentum) der Liebe Gottes und der menschlichen Verbundenheit. Ob ein Zeichen wirklich verständlich und ein Medium wirklich funktional wirkt, erweist sich aber in der Praxis, nicht in der Theorie. Praxis braucht Standards: Gewaltenteilung und -kontrolle, Qualitätssicherung, Gerechtigkeit und Transparenz, Rechenschaftslegung und Konfliktmanagement.

Aus dem Forum 1 wurden überdies Handlungstexte zur Beteiligung der Gläubigen an der Auswahl eines neuen Bischofs sowie zur Einrichtung eines synodalen Gremiums (Synodaler Rat), das die gemeinsame Repräsentanz und Leitungsverantwortung von Bischöfen und Gläubigen verstetigt, eingebracht und mehrheitlich beschlossen.

– Der Grundtext des Forums 2 »Priesterliche Existenz heute« thematisiert die vielfältigen Krisen des Priesteramts gegenwärtiger römisch-katholischer Façon. Ausdrücklich werden Erkenntnisse der MHG-Studie rezipiert. Es erfolgt eine Reflexion auf Sinn und Zweck, Plausibilität und Glaubwürdigkeit des sakramentalen Priesteramts und seiner Zuordnung und Verwiesenheit auf die Gläubigen.

In Handlungstexten aus diesem Forum werden weitere konkrete Schritte zur Missbrauchsprävention und -ahndung benannt. Internationale Aufmerksamkeit wird das Votum zur Freistellung des Zölibats für Diözesanpriester finden, so zurückhaltend (Bitte um Prüfung, um weitere Ausnahmeregelungen) es auch formuliert worden ist.

– Mit dem Grundtext des Forums 3 »Frauen in Diensten und Ämtern der Kirche« sprach sich erstmals weltweit eine Ortskirche mit bischöflicher Mehrheit dafür aus, »Geschlechtergerechtigkeit als Grundlage aller künftigen Handlungsweisen der Römisch-Katholischen Kirche einzufordern« – so lautet der erste Satz des Papiers. Die dogmatische Selbstblockade der römisch-katholischen Kirche, die durch Johannes Paul II. mit Ordinatio Sacerdotalis 1994 in Sachen Frauenordination erfolgt ist, soll überprüft werden. Der Text bereitet die nötigen biblischen, historischen, ökumenischen und anthropologischen Argumente auf, die die Frauenordination auch in der römisch-katholischen Kirche möglich machen könnten. Er problematisiert die misogyne Schuldgeschichte der Kirche.

Handlungstexte dieses Forums promoten die Verkündigung des Evangeliums durch »Lai:innen« in Wort (»Lai:innen«-Predigt) und Sakrament (Taufe) und konkretisieren Perspektiven für das weltkirchliche Gespräch zugunsten der Öffnung des Diakonats und letztlich des gesamten Amtes für Frauen in der römisch-katholischen Kirche.

– Aus dem Synodalforum 4 wurden vier Handlungstexte zugunsten eines erneuerten kirchlichen Umgangs mit LGBTIQ+ Personen verabschiedet: Ein Votum an den Papst, das offizielle lehramtliche Verdikt von Homosexualität im Weltkatechismus (Nr. 2357–2359) zu revidieren; ein Text zu einem wertschätzenden Umgang mit geschlechtlicher Vielfalt (Transidentität); ein Votum zur Überarbeitung der Grundordnung des kirchlichen Dienstes, demzufolge Sexualität und Partnerschaft keinerlei Anlass mehr für arbeitsrechtliche Konsequenzen kirchlicher Dienstnehmer haben soll (dieses Anliegen wurde mittlerweile in der im November 2022 revidierten Grundordnung umgesetzt), und schließlich ein Votum zur Gestaltung und Einführung von Segensfeiern für Paare, die sich lieben, denen in der römisch-katholischen Kirche aber (bisher) eine kirchliche Trauung verwehrt ist (Paare nach Scheidung; homosexuelle Paare).

Der Grundtext dieses Forums 4 »Sexualität und Partnerschaft«, der diese Reformen ausführlich grundgelegt und theologisch fundiert hatte, war in der vierten Vollversammlung des SW im September 2022 allerdings an der fehlenden bischöflichen Mehrheit gescheitert.

In erster Lesung beraten und mehrheitlich goutiert wurden überdies aus dem Forum 1 der Handlungstext »Gemeinsam beraten und entscheiden«, mit dem Synodalität nicht nur bundesweit, sondern auch auf Diözesan- und Pfarreiebene verankert werden sollte. Außerdem liegt eine Rahmenordnung zur Rechenschaftslegung des Bischofs und des Pfarrers vor. Aus dem Forum 2 wurden Texte zur Enttabuisierung und Normalisierung der Situation homosexueller Priester sowie zur Persönlichkeitsbildung und Professionalität der Priester in erster Lesung angenommen. Aus dem Forum 3 sind Handlungstexte zu Maßnahmen gegen Missbrauch an Frauen in der Kirche sowie zur Förderung der Präsenz und Leitung von Frauen in der Kirche (Leitung von Pfarreien und Gemeinden) und an theologischen Fakultäten in erster Lesung verabschiedet worden. Aus dem Forum 4 liegt ein Handlungstext zur Revision der traditionellen lehramtlichen Aussagen zu ehelicher Liebe vor, der einen Paradigmenwechsel von einer Sexual- zu einer Beziehungsethik initiieren soll.

VII Ein gescheiterter Grundtext



Der Grundtext des Synodalforums 4 sollte einen Paradigmenwechsel in der katholischen Sexuallehre vorbereiten. Er war in erster Lesung während der zweiten Vollversammlung im September 2021 mit großer Mehrheit angenommen worden. Auch in zweiter Lesung während der vierten Vollversammlung im September 2022 fand er die Zustimmung von über 82 % aller Synodalen und Synodalinnen. Sein Beschluss scheiterte dennoch, weil die nötige Zweidrittelmehrheit der Bischöfe nicht erreicht wurde. 21 der anwesenden (Weih-)Bischöfe (39 %) stimmten gegen den Text. Nur 33 (61 %) Männer aus dieser Gruppe stimmten dafür.

Im Text werden viele alte Themen, die bereits seit den 1960er Jahren debattiert werden, aufgerufen: Sex vor und außerhalb der Ehe, verantwortete Familienplanung, sexuelle Selbstbestimmung und die Bewertung von Homosexualität. Gegenüber der traditionellen kirchlichen Lehre stellt der Text nicht mehr die Zeugung, sondern die Liebe in den Mittelpunkt. Verbindliche Beziehungen zwischen zwei erwachsenen Menschen sind gut. Sie stehen unter dem Segen Gottes, auch gleichgeschlechtliche.

Außerdem geht es um neuere Themen: um Sex und Gender, geschlechtliche Identität und sexuelle Orientierung. Der Text sollte die katholische Kirche (immer noch sehr zurückhaltend) halbwegs auf die Höhe der Zeit befördern – gegen römische Voten aus der Glaubens- und Bildungskongregation sowie einiger Ortskirchen in den USA, Osteuropa und Afrika, die immer noch gegen eine angebliche »Genderideologie« polemisieren, die Vielfalt des Geschlechtlichen ignorieren und ganz genau zu wissen glauben, was »die« Frau ist, kann und darf.

Der Text schlägt also wichtige Umstellungen für einen erneuerten, zeitgemäß(er)en kirchlichen Zugang zu Sexualität, Familie und Partnerschaft vor. Die Lehre soll nicht mehr bei Verboten ansetzen und Schuldgefühle provozieren, sondern menschliche Sexualität als positive Kraft wertschätzen und das Selbstbestimmungsrecht jedes Menschen achten. Außerdem erfolgt ein selbstkritischer Blick auf kirchliche Lehre und kirchliches Handeln: »Auch durch die Lehre zu Sexualität und die kirchliche Praxis haben sich Mitglieder unserer Kirche, aber auch die Kirche als Institution und Gemeinschaft der Glaubenden, schuldig gemacht«, heißt es zu Beginn des Textes.

Knapp 40 % der anwesenden (Weih-)Bischöfe haben diesem Paradigmenwechsel in der katholischen Sexuallehre nicht zugestimmt. Kaum einer hatte indes in den vergangenen Monaten die Chance genutzt, sich aktiv in die Textarbeit einzubringen. Kaum einer hatte die theologischen und humanwissenschaftlichen Erkenntnisse, die sich in ihm niederschlagen, rezipiert. Kaum einer hat sich in der Debatte in Frankfurt qualifiziert dazu geäußert oder seine Vorbehalte zu erkennen gegeben, so dass das Nein der Sperrminorität viele überraschte. Im Nachgang brachten einige zur Begründung ihres Nein Autoritätsargumente vor: Man habe bei der Bischofsweihe schließlich geschworen, das Glaubensgut, zu dem sie ausdrücklich die »Theologie des Leibes« Johannes Pauls II. zählten, »unversehrt« zu bewahren; dieser Eid verbiete jegliche Zustimmung zu einer Reform der kirchlichen Sexuallehre.

So scheiterte ein Text, der die katholische Sexuallehre endlich mit dem wirklichen Leben hätte versöhnen können, am Widerstand von 21 (Weih-)Bischöfen, die offensichtlich immer noch nicht bereit sind, den Menschen zuzugestehen, selbstbestimmt und in eigener Verantwortung ihre Partnerschaft und Sexualität zu gestalten – was sie ja seit Jahrzehnten tun. Ihr Votum war ein fatales Signal an alle, die ihre Sexualität und Partnerschaft verantwortlich gestalten, aber nicht ins römisch-katholische Konzept passen, an alle, die durch kirchliche Lehre und Praxis ausgegrenzt und diskriminiert werden. Es war das Signal, dass einem erheblichen Teil der Bischöfe eine »unversehrte« kirchliche Doktrin wichtiger ist als kirchlich versehrte Gläubige.

In der Aussprache und Kommentierung dieser Krise am »schwarzen Donnerstag« des SW am 8.9.2022 wurden vor allem drei Punkte benannt:

– Mit Blick auf die Inhalte des Textes wurde Ernüchterung darüber artikuliert, dass auf Kirchenleitungsebene immer noch keine Bereitschaft zu erkennen ist, die Wirklichkeit, die Erfahrung und das Gewissensurteil der Gläubigen in Fragen von Sexualität und Partnerschaft zu respektieren.

– Mit Blick auf den Prozess brach sich Ärger darüber Bahn, dass rund 40 % der (Weih-)Bischöfe ohne erkennbare Partizipation am Prozess der Meinungsbildung (anonym) das Machtinstrument der Sperrminorität genutzt haben, das die Satzung des Synodalen Wegs ihnen garantiert.

– Darin wurde drittens ein eklatantes Leitungsversagen sichtbar: mangelnde Kommunikation und tiefgreifende Konflikte innerhalb der Bischofskonferenz sowie zwischen Orts- und Weihbischöfen; Versagen im bischöflichen Dienst an der Einheit, insofern die Bischöfe nicht mehr als Repräsentanten der Gläubigen wahrgenommen wurden; Verweigerung gegenüber der besonderen Verantwortung der Bischöfe, die mit ihrer privilegierten Stellung einhergeht.

VIII Bruchmomente und Grenzen



Zwei Bruchmomente zeigen die zentralen Herausforderungen des Prozesses. Beide haben mit der herausgehobenen Rolle und Verantwortung der Bischöfe für den synodalen Prozess zu tun.

Das erste ist auf der Schwelle von Theorie und Praxis angesiedelt, in der Textlogik des SW also im Übergang von Grund- zu Handlungstexten, da, wo die Commitments liegen, auf die der SW setzte. Theoretisch ermöglicht, ja: fordert die Zustimmung zu einem Grundtext auch die Zustimmung zu den zugeordneten Handlungstexten, die die theologischen Grundlagen in konkrete Schritte umsetzen: Wer verpflichtet sich, bis wann was zu tun? Im Abstimmungsverhalten der Bischöfe kam es jedoch zu unerwarteten Diskrepanzen.

– Der Grundtext des Synodalforums 1 hatte alle erforderlichen Mehrheiten erhalten. Der Handlungstext »Gemeinsam beraten und entscheiden« sollte die Konsequenzen einer erneuerten Machtkonfiguration auf Bistums- und Pfarrei ziehen. Während der Debatte zeichnete sich aber bald ab, dass er keine bischöfliche Mehrheit finden würde, da man die Letztverantwortung der Bischöfe nicht nur kontextualisiert, sondern infrage gestellt sah.

– Den Handlungstexten »Frauen in sakramentalen Ämtern« und »Verkündigung durch Lai:innen in Wort und Sakrament« stimmten die Bischöfe im März in Frankfurt nur unter der Bedingung zu, dass deren innovatives Potenzial (die Öffnung der Diskussion [!] auf »Lai:innen«-Beichte und Krankensalbung) gestrichen werde. Dem hatten sie im zugehörigen Grundtext ein halbes Jahr zuvor jedoch zugestimmt.

– Der Grundtext zur Erneuerung der kirchlichen Sexualethik wurde aufgrund der Ablehnung durch 21 (Weih-)Bischöfe, wie beschrieben, nicht beschlossen. Die zugeordneten Handlungstexte, die daraus lediglich Konsequenzen zogen, fanden jedoch alle nötigen Mehrheiten.

Warum stimmte jemand einem Grundtext zu, schreckte dann aber vor dessen Implikationen zurück? Warum fand und findet sich ein anderer bereit, praktisch einzulösen, was er theoretisch abgelehnt hatte? Anders gefragt: Wieso wirkte Theologie so wenig handlungsleitend – und was motivierte stattdessen zu Reformen? Je nach Thema und Rolle der Bischöfe liegen die Dinge wohl verschieden.

– Auf einer theoretischen Ebene konnten die meisten Bischöfe den Konsequenzen einer sakramentenanalog entfalteten Ekklesiologie zustimmen, die die Grundidee aus Lumen Gentium aufnimmt und weiterführt. Es fand sich jedoch kaum einer bereit, auch im Konfliktfall die Zügel aus der Hand zu geben. Stärkung der Gremien und intensive Beratung nach eigenem Gutdünken: ja, aber die eigene Erst- und Letztverantwortung durfte nicht angetastet werden.

– Die zaghafte Öffnung in der Frage der (Diskussion der) Weiheämter für Frauen folgte einer eklatanten Argumentationsnot: Der lehrmäßige status quo ist theologisch schlicht nicht zu halten. Dennoch wagten die Bischöfe nicht, offen die Frage nach Geschlechtergerechtigkeit zu stellen – oder sie sahen keinen Anlass dazu. So kam am Ende nur die Zusage zustande, sich für eine Prüfung der Öffnung des ständigen Diakonats für Frauen einzusetzen. In Bezug auf alle Ämter sei zuerst die Autoritätsfrage zu stellen, »ob die Lehre von Ordinatio Sacerdotalis die Kirche unfehlbar bindet oder nicht«. Außerdem sollten »pastorale Erwägungen und theologische Forschungen aus der deutschen Ortskirche« in den weltkirchlichen Diskurs eingebracht werden. Zwar hat es bisher keine so deutliche Aussage von Bischöfen für das Diakonat der Frau gegeben. Ein vernehmliches episkopales Votum für ein Ende jeder kirchlichen Diskriminierung von Frauen war das freilich auch nicht.

– Beim Thema Homo- und Transsexualität motivierte die hohe öffentliche Aufmerksamkeit sicher manch Reformbereitschaft. Queere Sexualität weiterhin lehrkonform zu diskreditieren, hätte in der Öffentlichkeit die rote Linie wohl endgültig überschritten. Von beherzter und geschlossener Zustimmung der Bischofskonferenz zur vollen Akzeptanz queerer Sexualität kann jedoch keine Rede sein. Die Beschlüsse kamen auch deshalb zustande, weil etliche Bischöfe sich enthalten oder ihr Abstimmungsgerät gar nicht bedient haben. Dann tauchen sie in den namentlichen Abstimmungslisten nicht auf, weder als Befürworter noch als Gegner dieser Reformen. Sie verschwinden in Unkenntlichkeit, und die Gläubigen und die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen vor Ort wissen nicht, woran sie sind. Aber sie bleiben abhängig davon, wie ihr Bischof sich verhält.

Auch die Synodalversammlung blieb abhängig davon, wann und wie sich die Bischöfe an den Beratungen und Entscheidungen beteiligten. Das ist das zweite Bruchmoment des Prozesses. Zwar diskutierten von Mal zu Mal mehr Bischöfe mit und bezogen öffentlich Position. Auch bei der Kommentierung und Weiterentwicklung der Texte stieg ihre Beteiligung. Die Sacharbeit erfolgte aber sicher nicht zuerst auf der Bischofsbank. Die Bischöfe brachten sich – klassisch römisch-katholisch – vor allem in der Phase der Beschlussfassung ins Spiel. Im März 2023 veröffentlichten sie erst vor Ort in Frankfurt ihre Änderungsanträge zu einigen Texten. Darin definierten sie, welchen Reformen sie maximal zustimmen würden. Den Brückenbauern innerhalb der zerstrittenen Konferenz gebührt dabei große Anerkennung. Das Ergebnis ist dennoch enttäuschend. Denn in keinem Fall wurden Texte durch die bischöflichen Eingaben ambitionierter oder verbindlicher. Reform-impulse wurden vielmehr empfindlich beschnitten.

Mit den Ultimaten aus der DBK war die Debatte praktisch entschieden: Entweder die Synodalversammlung stimmte ihren Änderungsanträgen zu, oder eine Sperrminorität der Bischöfe würde die Texte durchfallen lassen. Die reformorientierten Synodalen standen also vor der Wahl, sich entweder mit sehr kleinen Schritten zufrieden zu geben, die weit hinter dem zurückblieben, was sie mehrheitlich nötig und richtig fanden, oder überhaupt keine Fortschritte zu erzielen.

Wahrscheinlich sind die gefassten 15 Beschlüsse realpolitisch das Maximum dessen, was erreicht werden konnte. Frust und Erschöpfung vieler Synodalen sind dennoch groß. Denn der SW sollte ja systemische Hintergründe von Machtmissbrauch identifizieren und nachhaltig korrigieren. Genau das ist aber kaum passiert. Dabei waren die theologischen Überlegungen für eine Neukonfiguration des kirchlichen Machtgefüges zukunftsweisend. Aber sobald es konkret wurde, verblassten die Ambitionen.

Römische Invektiven gegen Prozesse und Ergebnisse des SW taten und tun weiterhin ein Übriges, um vorsichtig reformwillige Bischöfe und Bistümer zu entmutigen und jegliche ortskirchliche Schritte im Vorhinein zu unterbinden. Einschlägig war zunächst der AdLimina-Besuch der DBK im November 2022 in Rom, den die Kurienkardinäle Ladaria (Dikasterium für die Glaubenslehre), Ouellet (Dikasterium für die Bischöfe) und der Kardinalstaatssekretär Parolin nutzten, um die Umöglichkeit und Unbotmäßigkeit der Reformvorhaben des SW zu erklären. Insbesondere bzgl. der Alleinstellung des Bischofs und bzgl. der Frauenordination wurden die überkommenen Grenzen scharf und eindeutig markiert. Einen Zusammenhang der klerikalen Machtordnung mit klerikalem Missbrauch wies Kardinal Ouellet ausdrücklich ab.

Im Januar 2023 erklärten sie brieflich, »dass weder der Synodale Weg noch ein von ihm eingesetztes Organ noch eine Bischofskonferenz die Kompetenz haben, den ›Synodalen Rat‹ auf nationaler, diözesaner oder pfarrlicher Ebene einzurichten«. Ein solcher Rat soll die synodalen Erfahrungen gemeinsamen Beratens und Entscheidens in einem regelmäßigen schlankeren Format verstetigen und normalisieren. Zur Vorbereitung wurde ein Synodaler Ausschuss (27 Ortsbischöfe, 27 ZDK-Mitglieder sowie 20 weitere von der Synodalversammlung gewählte Mitglieder) eingesetzt, der im November 2023 zur konstituierenden Sitzung zusammengetreten ist. Während das ZdK Satzung und Geschäftsordnung des Synodalen Ausschusses wenig später ratifiziert hat, zwangen die römischen Behörden die DBK unmittelbar vor ihrer Frühjahrsvollversammlung, diese Abstimmung von der Tagesordnung zu nehmen. Seither ist unklar, ob und wie es weitergehen kann. Finanzielle Manöver reformkritischer Bischöfe taten bereits im Sommer 2023 ein Übriges, den Prozess zu verzögern und die Debatte weg von konkreten Reformvorhaben und wieder ins Grundsätzliche zu führen, ob das alles überhaupt katholisch statthaft sei.

Unmittelbar nach der letzten Synodalversammlung erklärten überdies weitere Kurienverantwortliche, dass die Taufe und Predigt durch Laien und Laiinnen nicht wie beschlossen erlaubt werden dürfe. Auch Segensfeiern für gleichgeschlechtliche Paare seien weiterhin nicht ohne weltkirchliche Übereinkunft erlaubt. Die weihnachtliche Erklärung Fiducia supplicans, die nichtrituelle Segnungen von Paaren in irregulären Situationen aus pastoraler Fürsorge ermöglicht, bleibt weit hinter den Voten und Erfahrungen aus Deutschland zurück.

IX Der »revolutionäre Millimeter«



Der SW der katholischen Kirche in Deutschland war ein erster kleiner Schritt auf einem mutmaßlich noch langen Lernweg. Die Synodalen, Bischöfe wie Gläubige, Profis wie Laien, übten praktisch ein, was künftig auch institutionell greifen muss: dass Bischöfe und Gläubige gemeinsam beraten und gemeinsam entscheiden; dass alle miteinander Kirche gestalten und Verantwortung für das kirchliche Leben übernehmen.

Dieser Prozess war dabei alles andere als eine Revolution. Er bewegte sich, auch wenn sein konkretes Format kirchenrechtlich nicht ausformuliert war, im Rahmen der geltenden kirchlichen Bedingungen, die den Bischöfen Letztentscheidungskompetenz zubilligt. In diesem Rahmen mutete der SW ihnen zugleich zu, keine einsamen Entscheidungen mehr zu fällen und ihr Hirtenamt nicht mehr in absolutistischer Manier auszuüben. Er mutete ihnen zu, mit den Gläubigen ins Gespräch zu treten, ihre Erfahrungen zu hören und ernstzunehmen und sich ihrerseits deren Fragen zu stellen. Er mutete ihnen zu, Fachexpertise wahrzunehmen und sich selbst weiterzubilden, um ihr Lehramt informierter und qualifizierter auszuüben. Er mutete ihnen zu, ihre Autorität dem besseren Argument, die Lehre dem wirklichen Leben und die Überlieferung der »Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute« (Gaudium et Spes 1) auszusetzen.

Weil das römisch-katholische System bisher klerikal und hierarchisch aufgesetzt ist, hing und hängt es am Ende vom guten Willen der leitenden Kleriker ab, ob und wie sie diese Zumutungen annehmen. Ob ihr Interesse, ihre Sympathie, ihre Verbundenheit mit den ihnen anvertrauten Gläubigen mehr wiegt als das Interesse daran, das überkommene System zu stützen und die eigene Machtposition zu bewahren. Auch den Gläubigen mutete dieser Reformprozess einiges zu, nämlich trotz der horrenden Schuldgeschichte ihrer Kirche, trotz des systemisch bedingten Missbrauchs, trotz systematischer Vertuschung durch Personalverantwortliche, trotz der strukturellen und doktrinellen Diskriminierung von Frauen, Homosexuellen und Transpersonen, den Bischöfen noch einmal Vertrauen entgegenzubringen und ihre Zeit, Nerven und Expertise in diesen Prozess zu investieren.

Das breite weltkirchliche Interesse12 am SW der katholischen Kirche in Deutschland spiegelt diese Zumutungen wider. Das gilt besonders für jene Stimmen, die um die Autorität des bischöflichen Amtes fürchten, vergleichsweise irritationsfrei auf doktrinelle Kontinuität setzen und bis heute systemische, (amts-)theologische und spirituelle Hintergründe klerikalen Missbrauchs leugnen. Den Vorbehalten, die beispielsweise die polnische und die skandinavische Bischofskonferenz sowie einige Dutzend US-amerikanische und afrikanische Bischöfe in offenen Briefen artikuliert haben, stehen allerdings andere Wahrnehmungen internationaler Beobachter vor Ort entgegen. Sie bekundeten das breite Interesse ihrer Länder und Diözesen an den synodalen Erfahrungen und den Texten, die in Deutschland erarbeitet wurden, namentlich des formell gescheiterten, gleichwohl breit rezipierten Grundtextes aus dem Forum 4. Es waren gerade die Beobachter und Beobachterinnen aus der Schweiz, aus Luxemburg und Belgien, die am Tag nach dem Scheitern dieses Textes der Synodalversammlung ihr Vertrauen ausgesprochen und Mut gemacht haben, weiterzugehen.13

Was hat der SW nun bewirkt? Es ist eine Reihe theologisch hochwertiger Texte entstanden, die sehr hohe Konsense erzielt haben. Sie zeigen Reformbedarf an und weisen Lösungsansätze auf. Sie sind wichtige Diskussionspunkte für den deutschen und weltkirchlichen Diskurs, die durchweg die gegebenen Regeln achten und im Falle für nötig befundener substanzieller Korrekturen im Modus von Bitten und Vorschlägen sprechen. Die Kommunikationskultur ist intensiviert worden. Regelgeleitete synodale Debatten wurden eingeübt. Es wurde eine andere Art römisch-katholischer Synodalität praktiziert. Deutlich wurde: Amt und Autorität allein reichen nicht mehr aus, um Reformimpulse zu delegitimieren oder in der Schublade verschwinden zu lassen. Es bedarf auf allen Seiten guter und besserer Argumente.

Die strukturelle Schwäche des SW aber bleibt: Die Umsetzung aller Beschlüsse liegt in den Händen der Bischöfe bzw. der Kurie. Letztere hat zu allen entscheidenden Beschlüssen bereits Grenzen aufgezeigt und Stoppschilder aufgestellt – in aller Regel ohne inhaltliche Auseinandersetzung, stattdessen unter Verweis auf geltende Lehre (deren Reformbedarf die Beschlüsse ja markierten). Nur wenige Bischöfe haben bisher die getroffenen Beschlüsse in ihren Bistümern in Kraft gesetzt. Mehrheitlich gefasste Beschlüsse werden stattdessen unter den Vorbehalt römischer Zustimmung oder weltkirchlicher Diskussion gestellt; konkrete Schritte der Umsetzung auf Arbeitsebene (z. B. zu Segensfeiern und Laienpredigt) teils geduldet, teils aber auch aktiv unterbunden. Deutlich wird: Auch seitens eines erheblichen Teils der deutschen Bischofskonferenz wird der SW nicht (mehr) als Organ gemeinsamen Beratens und Entscheidens anerkannt, sondern lediglich als Form qualifizierter Beratung, deren Ergebnisse aber allein die Bischöfe verantworten.

XII Herausforderungen und nötige Transformationen des römischen Katholizismus



In den unterschiedlichen Themen und Diskursformaten des SW in Deutschland und des weltsynodalen Prozesses werden grundlegende Herausforderungen deutlich, denen sich die römisch-katholische Kirche im 21. Jh. stellen muss.

1) Im weltweiten Phänomen des (Macht-)Missbrauchs und seiner systematischen Vertuschung durch (leitende) Kleriker in der römisch-katholischen Kirche manifestiert sich ein komplexes Systemversagen, dessen Ursachen debattiert und korrigiert werden müssen. Der Konflikt um die Bestimmung des Zusammenhangs zwischen Struktur und Lehre einerseits, klerikaler Gewalt andererseits muss ausgetragen werden.

Die Anerkenntnis systemisch bedingter Missbrauch begünstigender Faktoren in der römisch-katholischen Kirche war Anlass des SW in Deutschland und bestimmte seine (begrenzte) Aufgabenstellung. Weder im Prozedere noch im Ergebnis wurde allerdings eine echte Neukonfiguration der kirchlichen Machtverhältnisse erreicht. Konflikte wurden vielmehr immer dann manifest, wenn es um die Rolle der Bischöfe ging: um ihre Leitungskompetenz und Letztverantwortung, um ihre Privilegierung in den Abstimmungen, um Autorität und Gehorsam gegenüber Rom. Zwar wurden solide theologische Grundlagen für neue Wege entwickelt und verabschiedet – aber zu nachhaltigen, das Bisherige korrigierenden Schritten konnten sich die Bischöfe bisher nicht mehrheitlich durchringen.

Auf dem weltsynodalen Weg ist der Konflikt um den Zusammenhang von Struktur und Lehre einerseits, Missbrauch durch Kleriker andererseits, bisher kein prominentes Thema. Mehrheitlich wird Missbrauch durch Kleriker weiterhin als individualethisches Problem, nicht als Anlass für einen ekklesialen Paradigmenwechsel gesehen.

2) Grundlegender Transformationsbedarf zeigt sich zweitens hinsichtlich des absolutistischen Machtgefüges, das die römisch-katholische Kirche seit dem Ersten Vatikanischen Konzil prägt. Einschlägig dabei ist der Konflikt um die Alleinstellung des Bischofs (und des Papstes), die von einigen Seiten zum konfessionellen Alleinstellungsmerkmal der römisch-katholischen Kirche stilisiert wird. Demokratische Standards in der Leitung und Entscheidungsfindung gelten ihnen hingegen als »unkatholisch« bzw. »protestantisierend«.

Beim SW in Deutschland wurde dieses Problem durch verschiedene Formen der Einbindung des Leitungsamts in partizipative Strukturen und Ansätze von Gewaltenteilung und -kontrolle adressiert. Deren Umsetzung ist im geltenden System freilich vom guten Willen und der Selbstbindung eines jeden Bischofs abhängig. Theologisch wurde das kirchliche Lehramt im Orientierungstext des SW in ein Netzwerk von Bezeugungsinstanzen eingebunden (Schrift und Tradition, Lehramt und Theologie, sensus fidei und Zeichen der Zeit). Eben an dieser Einbindung statt Voranstellung des Lehramts entzündeten sich jedoch grundsätzliche Konflikte. Der Text wurde verabschiedet – bleibt aber bis zu seiner strukturellen Umsetzung reine Theorie.

Beim weltsynodalen Weg wurden und werden neue Formate der Beteiligung der Gläubigen sowie der Kommunikation zwischen den Ortskirchen aufgebaut und eingeübt. Der Wille zu einer substantiellen (nicht nur symbolischen) Beteiligung aller an Beratung und Entscheidung, zu einem grundsätzlichen Umbau einer hierarchischen zu einer synodalen Kirche, die die entscheidenden Dimensionen von Synodalität nicht mehr auf episkopale Kollegialität engführt, ist jedoch bisher nicht in Sicht.

3) Die dritte große Herausforderung, der sich der römische Katholizismus zumal als globaler Player stellen muss, ist Geschlechtergerechtigkeit. Überall auf der Welt ist die Sensibilität für geschlechtsbezogene Diskriminierung insbesondere von Frauen und LGBTIQ+ Personen gewachsen. Sie ist in allen Religionen Realität und zunehmend auch Thema. In der römisch-katholischen Kirche sind diskriminierende Strukturen, beispielsweise der Ausschluss von Frauen und homosexuellen Männern vom ordinierten Amt, rechtlich und doktrinell verankert. Geschlechteranthropologie und Amtstheologie werden so aufs Engste miteinander verknüpft – eine weitere spezifisch römisch-katholische Herausforderung im ökumenischen Dialog. Ein Aggiornamento der katholischen Geschlechteranthropologie und Sexualethik würde auch das überkommene männlich-klerikale Machtgefüge aufbrechen. Die Konflikte hängen zusammen, die Lösungen auch.

Beim SW in Deutschland wurden theologische Voraussetzungen eines doktrinellen, strukturellen und liturgisch-symbolischen Paradigmenwechsels in Geschlechterfragen erarbeitet und kirchenöffentlich diskutiert. Es ging um kirchlich verantwortete Diskriminierung von Frauen und LGBTIQ+-Personen und deren besondere Vulnerabilität im römischen Katholizismus, um Frauen in Ämtern und Leitungsfunktionen, um die Enttabuisierung von Homosexualität unter Priestern, um Frauen und LGBTIQ+-Personen als Missbrauchsbetroffene, um anstehende Revisionen im (Arbeits-)Recht, in der Liturgie (Segensfeiern) und in der Lehre (Katechismus). Das geschah nicht konfliktfrei, aber die Debatte wurde geführt. Beim weltsynodalen Weg ist Geschlechtergerechtigkeit bisher offiziell kein Thema. Allerdings wurde die bessere Beteiligung von Frauen am kirchlichen Leben von nahezu allen Ländern und Kontinenten als dringendes Desiderat benannt. Unterschiedliche kulturelle Prägungen, Ungleichzeitigkeiten und Konfliktlinien zeigen die besonderen Herausforderungen einer Weltkirche an, ein qualifiziertes Verhältnis zu Differenzen und Ambiguitäten zu entwickeln und gleichzeitig Verbundenheit und Einheit im Glauben zu fördern.

Der SW der katholischen Kirche in Deutschland war eine Probe aufs Exempel, ob der Ruf zur Umkehr und Erneuerung ernstgenommen wird und ob bei Bischöfen und Gläubigen Kraft und Bereitschaft zu einer ehrlichen Umkehr ausreichen. Ob die römisch-katholische Weltkirche insgesamt den derzeitigen großen Herausforderungen gerecht werden kann, ob sie zu echten Transformationen bereit und in der Lage ist, wird die Zeit erweisen.

Abstract



The Synodal Path of the Roman Catholic Church in Germany has received a great deal of ecumenical and international attention. In a format not foreseen in Roman Catholic canon law, the major crisis issues of our day were addressed: It was about the Church as a power system, the crisis of the priesthood, the role of women in the Church and Catholic doctrine on sexual ethics. These topics have long been considered in need of discussion and revision, but have been taboo until now. As nodes in a system that favours abuse in church power relations and makes it difficult to prosecute, not only their toxic interconnectedness but also their need for correction becomes all the more urgent. Catholicism in Germany has taken a first step towards initiating such reforms with theological- ly substantial debates and texts. At the same time, limits became clear: limits to the willingness to reform and limits to the possibility of reform in an ecclesiastical system that actually excludes reforms, especially bottom-up reforms.

Fussnoten:

1) Vgl. dazu die Ausführungen in: Internationale Theologische Kommission,
Die Synodalität in Leben und Sendung der Kirche (2.3.2018) (VApS 215), Bonn 2018.
2) Vgl. www.synod.va.
3) Satzung des Synodalen Wegs, Art. 11 (5): https://www.synodalerweg.de/fileadmin/
Synodalerweg/Dokumente_Reden_Beitraege/Satzung-des-Synodalen-
Weges.pdf.
4) Die MHG-Studie ist nach den Standorten der beteiligten Forschungsinstitute
benannt. Mitgewirkt haben Wissenschaftler des Zentralinstituts für seelische
Gesundheit in Mannheim, des Instituts für Kriminologie der Universität
Heidelberg sowie des Instituts für Gerontologie der Universität Heidelberg und
der Professur für Kriminologie, Jugendrecht und Strafvollzug an der Universität
Gießen. Die gesamte Studie ist auf Deutsch hier zugänglich: www.dbk.de/fileadmin/
redaktion/diverse_downloads/dossiers_2018/MHG-Studie-gesamt.pdf;
eine englischsprachige Zusammenfassung der Ergebnisse hier: www.dbk.de/
fileadmin/redaktion/diverse_downloads/dossiers_2018/MHG-eng-Endbericht-
Zusammenfassung-14-08-2018.pdf.
5) Dieses Feld wird erst in jüngerer Zeit bearbeitet, vgl. dazu den autobiographischen
Bericht von Doris Wagner [Reisinger], Nicht mehr Ich. Die wahre Geschichte
einer jungen Ordensfrau, Wien 2014; Dies., Spiritueller Missbrauch in der
katholischen Kirche (Freiburg/Br.: Herder, 2019); Barbara Haslbeck/Regina Heyder/
Ute Leimgruber/Dorothee Sandherr-Klemp (Hgg.), Erzählen als Widerstand.
Berichte über spirituellen und sexuellen Missbrauch an erwachsenen Frauen in
der katholischen Kirche, Münster 2020; Hanna A. Schulz, Bei euch soll es nicht so
sein. Missbrauch geistlicher Autorität (Ignatianische Impulse 94), Würzburg 2022;
Stephanie Butenkemper, Toxische Gemeinschaften. Geistlichen und emotionalen
Missbrauch erkennen, verhindern und heilen, Freiburg/Br. 2023.
6) Drei der vier Themen – Macht, Priester, Sexualität – waren bereits in der
MHG-Studie benannt worden. Das vierte Thema – Frauen in der Kirche – hatte
das ZdK eingebracht und seine Behandlung zur Bedingung eines gemeinsam
verantworteten synodalen Prozesses gemacht.
7) Vgl. z. B. Birgit Aschmann (Hg.), Katholische Dunkelräume. Die Kirche und der sexuelle Missbrauch, Paderborn 2022; Thomas Bahne (Hg.), Verletzbarkeit
des Humanen. Sexualisierte Gewalt an Minderjährigen im interdisziplinären
Diskurs, Regensburg 2021; Thomas Großbölting, Die schuldigen Hirten.
Geschichte des sexuellen Missbrauchs in der Kirche, Freiburg/Br. 2022; Doris
Reisinger (Hg.), Gefährliche Theologien. Wenn theologische Ansätze Machtmissbrauch
legitimieren, Regensburg 2021; Matthias Remenyi/Thomas Schärtl (Hgg.),
Nicht ausweichen. Theologie angesichts der Missbrauchskrise, Regensburg 2019.
8) Vgl. Mirjam Gräwe/Hendrik Johannemann/Mara Klein (Hgg.), Katholisch
und queer. Eine Einladung zum Hinsehen, Verstehen und Handeln, Paderborn
2021; Thomas Hanstein/Hiltrud Schönheit/Peter Schönheit (Hgg.), Heillose
Macht. Von der Kultur der Angst im kirchlichen Dienst, Freiburg/Br. 2022.
9) Vgl. Philippa Rath (Hg.), »… weil Gott es so will«. Frauen erzählen von ihrer
Berufung zur Diakonin und Priesterin, Freiburg/Br. 2021.
10) Alle nötigen Informationen zum Synodalen Weg der katholischen Kirche
in Deutschland, zu den Beteiligten, zu Prozeduren und Abstimmungsergebnissen,
sowie Dokumente, Begleittexte und Diskussionsbeiträge sind in deutscher
Sprache sowie (teilweise) in englischer, italienischer und spanischer Übersetzung
hier zu finden: https://www.synodalerweg.de.
11) Alle Texte sind samt Abstimmungsergebnissen hier einzusehen: https://
www.synodalerweg.de/dokumente-reden-und-beitraege#c4376. Eine leicht
zugängliche Übersicht auch hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Synodaler_
Weg#Beschl%C3%BCsse.
12) Vgl. dazu das Themenheft der Herder Korrespondenz »Weltkirche im
Aufbruch. Synodale Wege« (September 2022), das auch in englischer (www.
synodalerweg.de/fileadmin/Synodalerweg/Materialien/HerderThema-SWENG_
UniversalChurchinMotion-SynodalPaths.pdf) und italienischer (www.
synodalerweg.de/fileadmin/Synodalerweg/Materialien/HerderThema-SWITA_
La-chiesa-universale-in-movimento-Cammini_sinodali.pdf) Sprache zugänglich
ist.
13) Vgl. die Statements der Beobachter und Beobachterinnen der vierten Vollversammlung: www.synodalerweg.de/dokumente-reden-und-beitraege#c4596. Alle Beobachter sind hier asufgeführt: www.synodalerweg.de/fileadmin/Synodalerweg/Dokumente_Reden_Beitraege/Synodalversammlung-Beobachter.pdf. Auf jeder Synodalversammlung sprechen drei von ihnen.