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Ausgabe:

Dezember/2023

Spalte:

1246-1248

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Schmidt, Josef, Schöndorf, Harald, u. Guido Joosten [Hgg.]

Titel/Untertitel:

Was glaubt ein Christ? Zentrale Fragen des Christentums einfach beantwortet.

Verlag:

Baden-Baden: Academia Verlag (Nomos) 2022. 209 S. Geb. EUR 22,00. ISBN 9783985720163.

Rezensent:

Jörg Ulrich

Einer der Gründe für den Bedeutungsverlust von Kirche und Theologie in den modernen Gesellschaften unserer Tage besteht zweifellos in einem erheblichen Mangel an Sprachfähigkeit in Dingen des christlichen Glaubens. Die bekannte Forderung Martin Luthers, so zu dolmetschen, dass sie’s auch verstehen und merken, dass man Deutsch mit ihnen redet (Sendbrief vom Dolmetschen, WA 30 II, 637), wird nur selten eingelöst. Das gilt nicht zuletzt für die, die an der Kommunikation des Glaubens professionell mitwirken und mitverantwortlich für sie zeichnen. Wenn die vorliegende Publikation es sich ausweislich ihres Untertitels zur Aufgabe gemacht hat, dass »zentrale Fragen des Christentums einfach beantwortet« werden sollen, ist dies zunächst als mutiger Beitrag zur Behebung des genannten Problems anzuerkennen, weil sich akademische Theologie hier bewusst aus der Deckung etablierter Binnensprache wagen und breitere Rezipientenkreise ansprechen will. Dabei ist die Erkenntnis, dass »es mit dem einfach nicht so einfach ist« (7), von vornherein mit im Blick, gerade vor dem Hintergrund dessen, dass nicht um der Einfachheit Willen »simple Texte« vorgelegt, sondern zeitgemäße und fundierte Inhalte (9) nachvollziehbar zur Sprache gebracht werden sollen.

Ausgangspunkt des Bandes war eine Vortragsreihe, die vor einigen Jahren im Chiemgau stattfand und überwiegend von jesuitischen Referenten bestritten wurde. Für die Drucklegung wurden die Vorträge um einige Gastbeiträge erweitert. Insgesamt werden folgende zentrale Themen des christlichen Glaubens behandelt: Gotteslehre und die Frage nach Gott als Person (verfasst von Markus Enders, katholisch, Freiburg), Schöpfungslehre (Georg Etzelmüller, evangelisch, Osnabrück), Trinitätslehre (Johannes Stoffers SJ, Rom), Mariologie (s. u.), Passion und Botschaft Jesu (Harald Schöndorf SJ und Johannes Herzgsell SJ, beide München), Ekklesiologie und Sakramente (zu den Verfassern s. u.), Eschatologie und Auferstehungshoffnung (s. u.). Ein besonderer Wert der Publikation besteht darin, dass insbesondere bei den Themen, die zwischen den Konfessionen kontrovers sind, neben der katholischen auch evangelische und orthodoxe Positionen authentisch vorgestellt werden: Über die Sakramentenlehre handeln nicht nur die Münsteraner Katholikin Dorothea Sattler, sondern auch der Protestant Wolfgang Neuser und der orthodoxe Theologe Daniel Benga. Die Mariologie wird durch die Göttinger Professorin Jennifer Wasmuth in evangelischer und in orthodoxer Perspektive sowie durch den Philosophen Georg Bruder in katholischer Sichtweise dargestellt. So behält die Publikation bei aller Verwurzelung in jesuitischem Kontext die Ökumene im Blick. Ihrem Obertitel entsprechend versucht sie sich an einer Antwort auf die Frage, was ein Christ glaubt – und nicht nur auf das, was ein römisch-katholischer Christ glaubt.

Was den Inhalt der verhandelten Themen angeht, verdient der Band hohe Anerkennung: Christliche Grundfragen wie die Gottes- oder Schöpfungslehre auf nur wenigen Seiten zielgerichtet und kompakt zu behandeln, ist ein Wagnis, das einzugehen sich gelohnt hat: Entstanden sind knappe und konzentrierte Darstellungen, die einem Lexikon der Theologie oder der theologischen Begriffe gut zu Gesicht stehen würden. Etwas anders freilich liegen die Dinge, wenn man kritisch nachfragt, was aus dem Anspruch geworden ist, dass zentrale Fragen des Christentums »einfach beantwortet« werden sollen. Die folgende Liste zufällig herausgegriffener Sätze, die beliebig zu verlängern wäre, möge zeigen, was ich meine:

»Personaler Geistbesitz bedeutet daher den Besitz eines prinzipiell freien bzw. für andere Personen unverfügbaren Verhältnisses zu sich selbst und eines ebenso freien bewusstseins- bzw. erkenntnismäßigen Verhältnisses zur Welt, sofern die Welt gleichsam Außenseite des personalen Bewusstseins ist.« (21) »Denn das Erkennen von anderem ist Sein-beim-Anderen in der Form des Bei-sich-Seins, weil der Erkenntnisvollzug vom Erkenntnissubjekt ausgeht und wieder in diesem endet, da beim Erkennen des Anderen ein geistiges Abbild des Erkenntnisgegenstandes in den Geist des Erkenntnissubjekts aufgenommen wird.« (22) »Der in der Taufe gefeierte Durchgang ins Leben ist Geschenk Gottes, das – soll es erfahrbar und damit wirksam werden – angewiesen ist auf sein Erleben in der Gemeinschaft der bereits aus dem Tod erlösten Glaubenden und nicht im Augenblick, sondern nur in einem personalen Prozess angenommen werden kann.« (148) »Im Gegensatz zu manchen ausschließlich durch die menschliche Vernunft geprägten Charakteristika der westlichen Denk- und Lebensweise räumt der orthodoxe Denkgeist der göttlichen Offenbarung, d. h. das sich Zeigen Gottes an die Menschheit und allgemein der Gegenwart des Göttlichen in der weltlichen Geschichte einen respektvollen Platz ein« (172). »Freilich führt ihre Apriorität im entscheidenden Punkt über sich als gedankliche Notwendigkeit hinaus, nämlich darin, dass jene höchste Präsenz des Absoluten imKontingenten nur ein durch nichts ableitbares Geschehen sein kann, eine freie Tat Gottes, der durch diese freie Tat sich selbst und sein Gesamtverhältnis zur Welt offenbart.« (191)

Als Professor der Theologie, der beruflich dazu verpflichtet ist, derlei Ausführungen zu folgen, darf ich behaupten, die zitierten Sätze relativ gut zu verstehen. Aber ob das auch für meine Studentinnen und Studenten so gilt? – für manche sicher, für manche ebenso sicher nicht. Und wie steht es mit den »theologischen und philosophischen Laien« (7), die die Publikation im Blick zu haben hofft? Was mögen religiös interessierte Menschen unserer Tage sagen, denen die Begriffe und ihre Hintergründe schlicht unbekannt sind? Ob sich denen die »zeitgemäßen und fundierten Inhalte«, auf die der Band zu Recht pocht, durch die Lektüre auch nur ansatzweise erschließen? Ein gründliches Lektorieren des gesamten Bandes nach den Kriterien einfacher, leicht zugänglicher Sprache (Verzicht auf endlos lange und verschachtelte Sätze, weitgehender Verzicht auf Fremd- und Fachwörter, Reduzieren des Substantiv- und Par- tizipialstils, Absehung von Sondergruppensemantik à la »Autor-Innen« und »LeserIn« (9) etc.) hätte hier einiges in die richtige Richtung bewegt. Aber selbst dann bleibt die Frage: Erreichen diese Darlegungen irgendjemanden außerhalb des innersten »inner circle« der wissenschaftlichen Theologie? Würden selbst Pfarrerinnen und Priester im aktiven Dienst dergleichen überhaupt lesen, und wenn ja, mit welchem Gewinn?

Dieser Kritik entgegen stehen einige Passagen des Buches, die wegen ihres absichtlich katechetischen Charakters unmittelbares Interesse erzeugen und deswegen als gelungen zu bezeichnen sind: Insbesondere die Beiträge von Wolfgang Neuser, Dorothea Sattler und Daniel Benga arbeiten mit kurzen Frageüberschriften und knappen Antworten zu Fragen, die die Menschen unserer Tage in der Tat bewegen: Warum überhaupt Taufe? Was spricht für die Kindertaufe? Was spricht für die Erwachsenentaufe? Worum geht es im Abendmahl? Was ist ein Sakrament? usw. Die Antworten auf diese Fragen sind durchweg einfach und zugangsfreundlich formuliert, ohne je unterkomplex zu sein. Es steht zu vermuten, dass eine Bearbeitung unter diesen Prämissen auch den anderen Beiträgen und damit dem gesamten Band gutgetan hätte: Auch zugegeben schwierigen Fragen wie denen der Personalität Gottes oder der Trinitätsvorstellung kann man sich ja durchaus im Fra-ge- und Antwortstil zuwenden, wie die katechetische Tradition nahezu aller christlichen Konfessionen beweist.

Insgesamt handelt es sich um ein mutiges, ambitioniertes Buch, das die selbst formulierten Ansprüche allerdings nicht wirklich einzulösen vermag. Die Lektüre macht es vielmehr deutlicher als zuvor und zeigt eindrücklich auf, wie dringlich eine möglichst breit aufgestellte, engagierte Weiterarbeit an einer gelingenden Kommunikation zentraler Glaubensdinge ist. Luthers Forderung, so zu übersetzen, dass sie’s auch verstehen (s. o.), ist eine bleibende und bleibend schwierige Aufgabe. Was das angeht, sitzen alle christlichen Konfessionen im selben Boot.