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Ausgabe:

Juni/2023

Spalte:

585-587

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Niepert-Rumel, Sophia

Titel/Untertitel:

Metaphernkombinationen in der neutestamentlichen Rede vom Tod Jesu.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2021. XV, 746 S. = Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament. 2. Reihe, 563. Kart. EUR 134,00. ISBN 9783161600357.

Rezensent:

Barbara Beyer

Es ist oft gewinnbringend, ein viel erforschtes Thema – hier die Rede vom Tod Jesu im Neuen Testament – unter einem neuen Aspekt – hier der Kombination von Metaphern – zu untersuchen. Genau das ist das Vorhaben des Buches von Sophia Niepert-Rumel. Die Arbeit entstand im Rahmen ihrer Promotion am Institut für Evangelische Theologie der Universität Paderborn im Jahr 2020 unter der Betreuung von Martin Leutzsch.

Die Studie setzt ein mit der Beobachtung, dass Jesu Tod im Neuen Testament auf verschiedene Weise interpretiert wird, auch mithilfe von Metaphern. Während es mittlerweile eine Vielzahl an Metapherntheorien gäbe, würde die Art und Weise, wie verschiedene Metaphern in Texten kombiniert werden und welche Funktion und Wirkung dies hat, bisher kaum untersucht. Dies gilt um so mehr für die neutestamentliche Forschung. Ebendiesen Missstand sucht die vorliegende Studie in Bezug auf Metaphern, die den Tod Jesu thematisieren, zu beheben (12). Daraus ergibt sich eine Zweiteilung: Nachdem der erste Teil die Methodik der Metapherntheorien (Kap. 1) und ihrer -kombination (Kap. 2) entfaltet, werden im zweiten Teil die neutestamentlichen Texte untersucht; zunächst allgemein die Bezugnahmen auf Jesu Tod (Kap. 3) und dann die Anwendung der Erkenntnisse von Kapitel 2 auf die Rede vom Tod Jesu (Kap. 4).

Der Methodenteil setzt mit einer ausführlichen Darstellung einschlägiger Metapherntheorien ein. Gerade, weil antike Theorien (bes. Aristoteles, Cicero, Quintilian) den Texten des Neuen Testaments zeitlich näher sind, seien sie besonders relevant (23). Dabei ist jedoch keine direkte Bezugnahme vorauszusetzen. Stattdessen wird deutlich, dass man bereits in der Antike die Komplexität von Metaphern wahrnahm (698 f.). Die Studie nutzt im Folgenden die Terminologie von Andrew Goatly (89). Zum Erkennen von Metaphern gäbe es keine eindeutigen Kriterien, aber Indizien seien semantische und inhaltliche Spannungen oder »die Tatsache, dass mit der Aussage mehr gemeint ist als das, was auf der Satzebene vorgegeben wird« (97). Metaphern sind von anderen Stilmitteln abzugrenzen. Das Kapitel schließt mit weiteren Überlegungen u. a. zur Funktion von Metaphern und ihrem Verhältnis zur Wirklichkeit. N.-R. entscheidet sich nicht für eine Metapherntheorie, sondern synthetisiert Erkenntnisse verschiedener Ansätze, besonders derer von Goatly, George Lakoff und Mark Johnson (142–145). Das zweite Kapitel zeigt, wie die »Hybridität«, die bei Metaphernkombinationen wahrgenommen wird, ein grundsätzliches Merkmal von Metaphern an sich sei, sodass das Kombinieren von Metaphern ihre Metaphorizität noch vervielfache (146). Im allgemeinen Diskurs seien sog. »mixed metaphors« oft negativ konnotiert, und erst seit den letzten Jahren beschäftigte sich die Forschung detaillierter mit ihnen (213). Metaphern würden sowohl mit anderen Stilmitteln wie Metonymien oder Vergleichen kombiniert als auch mit anderen Metaphern. Goatly bietet für letzteres Phänomen die grundlegenden Kategorien, die N.-R. um weitere ergänzt. Zu ihnen gehören u. a. »Diversifikation« oder »Vermischung« (242–253).

Die neutestamentliche Rede vom Tod Jesu wird dann nach verschiedenen Fragestellungen untersucht, so ihrem Vorkommen in den etwaigen Textgattungen, der Frage nach der erzählenden Person, intertextuellen Bezügen zu jüdischen Texten wie Jes 53 oder frühchristlichen Traditionen, dem Aspekt der direkten Erwähnung gegenüber der indirekten Referenz (z. B. durch Begriffe wie »Blut«) und schließlich der Deutungen des Todes. Diese Aspekte werden jeweils für die verschiedenen Schriften(-gruppen) des Neuen Testaments beleuchtet. In Anbetracht der eindrücklichen Erfahrung von Jesu Tod hätten die frühen Christen zunächst seine Zwangsläufigkeit bekundet und im Weiteren seine Funktionen gedeutet (349). Dass der Tod Jesu notwendig war, drückten die Texte u. a. mit Prophezeiungen aus dem Alten Testament, dem Motiv der Schrifterfüllung oder dem Prophetenschicksal aus. Zur Beschreibung seiner Funktion würden vor allem die »Für«-Wendungen begegnen, die vermutlich zunächst unabhängig überliefert und später dem historischen Jesus und der Abendmahlstradition zugeschrieben wurden, weswegen sie so häufig seien (367). Andere Funktionen des Todes Jesu seien Befreiung, Heiligung, seine Vorbildhaftigkeit, der Mitvollzug der Glaubenden oder das Aufzeigen von Gottes Liebe, die jeweils mit unterschiedlicher Terminologie anklängen. Eine weitere Funktion umfasse den Komplex der »Versöhnung«, die eng verwandt sei mit der oft kultisch geprägten »Sühne« (388). Zuletzt sprächen verschiedene Metaphern über den Tod Jesu, die ihn bildhaft deuteten (416). Besonders hervorzuheben seien einige Konzeptmetaphern, die diesen Tod als Los- oder Freikauf, kultisches Opfer oder Reinigung darstellen.

Methodik und Überblick zum Tod Jesu werden schließlich in Kapitel 4 synthetisiert und die verschiedenen Arten von Metaphernkombinationen auf ihr Vorkommen im Neuen Testament überblickshaft und an einschlägigen Passagen untersucht. Beispielhaft seien hier etwa »Wiederholungen« wie in Röm 6,1–11 genannt, die in Texten Kohärenz erzeugen, Ideen neu aufgreifen oder etwas hervorheben würden (483). Und in 1Pet 1,18 f. läge eine »Metaphernvermischung« vor, die »mit den beiden Bedeutungsnuancen von λυτρόω [spielt]: Das Loskaufmotiv hängt an der Grundbedeutung des Verbs, die Opfermetaphorik an der abstrakteren, religiösen Bedeutung« (631). So wird gezeigt, dass Metaphernkombinationen rhetorische und paränetische Zwecke erfüllen. Gerade inkonsistente Metaphern würden Spannung erzeugen, sodass sie einprägsamer seien (693 f.).

Die Untersuchung zeigt, dass Metaphernkombinationen wesentlich zum Textverständnis beitragen und ihre Interaktion auch zu anderen Themen näher beleuchtet werden sollte. Allerdings fehlen viele aktuelle Erkenntnisse zu Deutungen des Todes Jesu. Beispielhaft sei hier das Schweigen über die Diskussion zwischen Otfried Hofius et al. gegenüber Cilliers Breytenbach hinsichtlich der Deutung von »Sühne« bzw. »Erlösung« genannt. Insgesamt enthält besonders Kapitel 3 fast keine Diskussion der Forschungsliteratur. Auch der anfänglich beklagte Missstand, dass in der neutestamentlichen Exegese häufig Metaphern im Text festgestellt wurden, ohne diese jedoch anhand einer Theorie zu analysieren (5), trifft so nicht zu: Monographien wie die von Christine Gerber oder Jan van der Watt zeigen hier einen Wandel in den letzten 20 Jahren. Der gewaltige methodische Unterbau wird letztendlich da gewinnbringend angewandt, wo einzelne Belege genauer untersucht werden. Dann sind die Ergebnisse lohnenswert und befruchten das Textverständnis, so etwa die Erkenntnis, dass in den Kelchmetaphern in Mk und Mt das Topic der vorherigen Metapher zum Vehicle der folgenden wird und die Übertragung sich daraufhin wieder umkehrt (666 f.). Generell hätte es der Arbeit gutgetan, mehr Details einfließen zu lassen. So hätten auch Fehldeutungen wie die von Kol 2,14 (429.632 f.) vermieden werden können: Nicht Christus ist hier das Subjekt, sondern Gott. Ob die großen Abstände, die teilweise zwischen den einzelnen Belegen einer Metaphernkombination liegen, sie noch erkennbar sein lassen, ließe sich diskutieren (z. B. Joh 1,29.36 Jesus als Lamm Gottes; 10,11.14 als Hirte; 10,7 als Tür). Es sind viele hilfreiche Überblickstabellen enthalten und die Darstellung ist weitestgehend fehlerfrei. Insgesamt wird deutlich, dass die Analyse von Metaphernkombinationen in diesem Umfang neu ist und damit die Diskussion um bildliche Sprache in der Exegese voranbringt.