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Ausgabe:

Januar/2023

Spalte:

131-132

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Enns, Fernando [Hg.]

Titel/Untertitel:

Die Taufe und die Eingliederung in die Kirche. Lutherische/mennonitisch/römisch-katholische trilaterale Gespräche 2012–2017. Hg. im Auftrag der Mennonitischen Weltkonferenz, des Lutherischen Weltbundes und des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen.

Verlag:

Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt; Paderborn: Bonifatius 2022. 164 S. Kart. EUR 19,00. ISBN 9783374070916 (EVA); 9783897109247 (Bonifatius).

Ökumenische Trialoge waren bislang eine Seltenheit. In einer Zeit, die die ökumenischen Anfangsgründe hinter sich gelassen hat und sich in vertiefter Weise den zentralen Kontroversfragen stellt, erweisen sie sich jedoch als ebenso hilfreich wie notwendig: sie erweitern die bilaterale Perspektive um weitere wichtige – im Fall der Taufe entscheidende – Gesichtspunkte und Fragen, die in bilateralen Dialogen wenn nicht auf der Strecke, so doch nebensächlich geblieben wären.

Der von Fernando Enns herausgegebene Band dokumentiert Gespräche einer internationalen Kommission, bestehend aus Vertretern und Vertreterinnen der Mennonitischen Weltkonferenz (MWK), des Lutherischen Weltbundes (LWB) sowie des Päpstlichen Rats zur Förderung der Einheit der Christen (PCPCU), die in mehreren Konferenzen in den Jahren 2012–2017 stattfanden. Ausgehend von der sog. Lima-Erklärung zu »Taufe, Eucharistie und Amt« (BEM) der Kommission für Glaube und Kirchenverfassung aus dem Jahr 1982, fanden vor diesem Dialog bilaterale Gespräche statt: zwischen dem PCPCU und der MWK zwischen 1998 und 2003 (unter dem Titel »Gemeinsam berufen, Friedensstifter zu sein« veröffentlicht in DWÜ 4, 679 ff.), sowie zwischen MWK und LWB von 2005–2008 (»Heilung der Erinnerungen – Versöhnung in Christus«, in DWÜ 4, 401 ff.), der von der LWB-Vollversammlung 2010 in Stuttgart im Kontext einer Bitte um Versöhnung rezipiert wurde.

Der Bericht fokussiert auf drei zentrale Leitthemen des gegenwärtigen multilateralen Taufdiskurses, deren wesentliche Fragen er in drei Kapiteln entfaltet:

1. Die Taufe in Bezug auf Sünde und Gnade (25–52);

2. Taufe: Gnade und Glauben vermitteln (53–77);

3. Die Taufe in der Nachfolge leben (79–100),

die in Schlussfolgerungen münden (101 ff.) und denen in einem Anhang sich darauf beziehende Lernerfahrungen delegierter Dialogteilnehmer und -teilnehmerinnen angefügt sind (125 ff.).

Das erste Kapitel widmet sich Fragen des Sünden- und des Gnadenverständnisses (forensisch oder effektiv?) und deren Konsequenzen für die theologische Anthropologie (Verwandlung des Menschen?). In besonderer Weise eruiert der Text die in täuferischer Theologie meist kritisch gesehene tradierte Erbsündenlehre – vor allem das sich auf eine ungenaue Übersetzung von Röm 5,12 berufende Konzept einer »ererbten Sünde«, wobei es nicht um ein Aufgeben der Lehre des Paulus über die Erbsünde gehe, sondern um die Korrektur einer Fehldeutung (47).

Kapitel 2 setzt bei der Frage der Säuglingstaufe an, um auf den Zusammenhang von Taufe und Gemeinschaft/Kirchenmitgliedschaft hinzuführen. Alle Traditionen können die Vermittlung von Gnade und Glaube in einem lebenslangen Prozess des Christseins beschreiben und betonen die Vorrangstellung der Initiative Gottes (55 f.); im Vergleich zur mennonitischen Tradition bestehen jedoch unterschiedliche Auffassungen über die Abfolge und »das Verhältnis dieser unterschiedlichen Elemente untereinander« (58). Diese differenzierten Bestimmungen finden ihren Ausdruck auch in der Tauffeier selbst – in deren liturgischer Gestalt, ihrem Grundverständnis (Sakrament oder Ordnung?) wie auch in der Frage, wer getauft werden kann.

Das dritte Kapitel schließlich unterscheidet drei Dimensionen eines Lebens aus der Taufe – eine individuelle, eine ekklesiologische und eine öffentliche. Im Blick auf die gelebte Nachfolge werden nicht nur teils konvergierende, teils differenzierte Sichtweisen deutlich, sondern auch eben solche Herausforderungen – in jeder der drei Traditionen.

Die sich anschließenden Schlussfolgerungen aller Beteiligten schließen eine wichtige Lücke, die bisherige Dialogdokumente oft gelassen haben: eine Reflexion über die Herausforderungen, die sich von den Ergebnissen des Dialogs her für die eigene Tradition stellen – Gedanken im Blick auf Konsequenzen, Rezeption und praktische Umsetzung. Eine Art Review der drei inhaltlichen Kapitel begegnet im Anhang, in dem je eine am Dialog beteiligte Person (Kapitel 1 William Henn, römisch-katholisch; Kapitel 2 Fernando Enns, mennonitisch; Kapitel 3 Friederike Nüssel, lutherisch) die eigenen (Lern-)Erfahrungen im jeweiligen Zusammenhang mit einer Darlegung der Thematik verknüpft, dabei sich der Methode des Perspektivenwechsels bedienend die unterschiedlichen Sichtweisen zusammenführt.

Diese trilaterale Form des Dialogs lässt die Interdependenz der tauftheologischen Grundfragen viel deutlicher zutage treten als ein bilateraler, der tendenziell stärker zu einem Nacheinander-Abhandeln einzelner Loci neigt. Die verhandelten Fragen konnten so in einer Tiefe und vor allem in der Verbindung untereinander erörtert werden, wie das bei jeweils bilateralen Dialogen wohl kaum möglich gewesen wäre. Das Dokument verdient, in unseren Kirchen wahrgenommen und rezipiert zu werden; erst recht gilt dies für das Setting (multilaterale Deklination von Ökumene) und für seine Methode als Vorbild künftiger Dialoge.