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Ausgabe:

Januar/2022

Spalte:

72

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Huebenthal, Sandra

Titel/Untertitel:

Reading Mark’s Gospel as a Text from Collective Memory. Foreword by W. H. Kelber.

Verlag:

Grand Rapids u. a.: Wm. B. Eerdmans 2020. 656 S. Geb. US$ 74,99. ISBN 9780802875402.

Rezensent:

Felix John

In ihrer 2014 erstmals und inzwischen in zweiter Auflage erschienenen Habilitationsschrift »Das Markusevangelium als kollektives Gedächtnis« führt Sandra Hübenthal, seit 2015 Professorin für Exegese und Biblische Theologie an der Universität Passau, Theorien über Prozesse der Deutung von Vergangenem in die Markusforschung ein.
Zugrunde liegt dabei das mit den Autoren Maurice Halbwachs, Aleida und Jan Assmann verbundene idealtypische Modell, demzufolge auf eine Phase des sozialen Gedächtnisses, die von einer Perspektivenpluralität geprägt ist, das Stadium des kollektiven Ge­dächtnisses folgt. Die Verschriftlichung der Erinnerung bringt hier die Konzentration auf ein zentrales Deutungsmuster mit sich, das primär im Dienst der kollektiven Identitätskonstitution steht. Es folgt die Phase des kulturellen Gedächtnisses, in der das Erinnerte inmitten anderer Inhalte eingeordnet wird. Das Markusevange-lium ordnet die Arbeit H.s der Stufe des kollektiven Ge­dächtnisses zu. Produktionsästhetisch betrachtet erscheint es so nicht mehr als Rekapitulation, sondern als Konstruktion von Vergangenheit. Im Blick auf die intendierte Rezeption mache es Angebote der Fa­miliarisierung. Grundsätzlich tritt die Arbeit für die Konzentration auf die Subjekte der Erinnerungsdeutung, nicht ihre Objekte ein. Die Arbeit wurde im 141. Jahrgang dieser Zeitschrift von Johannes U. Beck besprochen (2016, 905–907).
Im vergangenen Jahr kam nun eine von H. besorgte englischsprachige Übersetzung auf den Markt. Sie wird durch ein Vorwort Werner H. Kelbers komplettiert, der seinerseits in den 1980er Jahren auf Prozesse der mündlichen Kommunikation und der kollektiven Erinnerung als wichtige Faktoren bei der Rekonstruktion der Entstehungsgeschichte der Evangelien aufmerksam gemacht hatte. Das Vorwort würdigt H.s Arbeit als gelungene Zusammenführung von Erinnerungs- und Oralitätsforschung sowie narrativer Analyse im Dienste der Charakterisierung des ältesten Evangeliums.