Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Juni/2021

Spalte:

535–536

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Juhás, Peter

Titel/Untertitel:

Berge als Widersacher. Studien zu einem Bergmotiv in der jüdischen Apokalyptik.

Verlag:

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2020. 190 S. = Mundus Orientis, 2. Geb. EUR 120,00. ISBN 9783525522080.

Rezensent:

Claudia D. Bergmann

Die Monographie ist die überarbeitete Version einer kumulativen Habilitation, eingereicht im Jahr 2019 an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München. Entstanden ist sie im Kontext der interdisziplinären DFG-Forschungsgruppe »Natur in politischen Ordnungsentwürfen: Antike – Mittelalter – Frühe Neuzeit«, die seit 2013 arbeitet. Ihr Autor Peter Juhás, der Katholische Theologie, Bibelwissenschaften und Altorientalistik studiert hat, ist gegenwärtig wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Neutestamentliche Textforschung der Universität Münster.
Entsprechend J.’ Ausbildung und Forschungsinteressen ist seine Monographie Berge als Widersacher. Studien zu einem Bergmotiv in der jüdischen Apokalyptik auch ein beständiger Dialog zwischen apokalyptischem Textbestand und altorientalischem Quellenbefund, ein Umstand, der vielleicht auch im Titel des Buches einen Widerhall hätte finden können.
Im ersten Kapitel, den »Prolegomena«, ist dieser Dialog zwischen Apokalyptik und Texten aus dem alten Orient auch zum ersten Mal deutlich erkennbar. Neben Vorüberlegungen zum Phänomen Apokalyptik und der in ihr enthaltenen Bergmotivik werden die zu untersuchenden Texte 1Hen 37–71, 2Baruch und 4Esra vorgestellt sowie in das altorientalische Motiv der Bezwinger der Berge innerhalb und außerhalb der zeitgenössischen Königsideologie eingeführt. Dass Berge gerade auch im apokalyptischen Textkorpus der Ort für das Mahl in der Kommenden Welt sein können, wird von J. nicht erwähnt, obwohl er eine der Belegstellen dafür, 1Hen 32,2–3 sogar auf S. 46 zitiert und eine der typischen endzeitlichen Speisen, Behemot, kurz erwähnt.
Im zweiten Kapitel zum Thema »Der Berg in Sach 4,6aβ–7« beleuchtet J. den Kontext des Orakels vom Leuchter und den beiden Ölbäumen, um sich dann mit der Deutung des Berges im untersuchten Text zu befassen. Ausgehend von den forschungsgeschichtlichen Vermutungen und basierend auf seinen »syntaktischen, semantischen und motivischen Beobachtungen« (90) vertritt J., das mit der Wortgruppe »der Berg, der Große« ursprünglich Darius I. gemeint war, dieses Verständnis aber später zugunsten der Rolle des Hohepriesters relativiert wurde.
»Die metallischen Berge in 1Hen 52« stehen im Zentrum des dritten Kapitels. Aufgrund seiner umfassenden Textkenntnis ge­lingt es J., gekonnt und zugleich mit der nötigen Vorsicht iranisches Milieu und spanische Erzgewinnung in hellenistisch-römischer Zeit in seine Überlegungen zum Kontext von 1Hen 52 einzubeziehen und zu zeigen, dass dieser Text »mit einer radikalen Transformation, die eigentlich ein Zeichen der neuen Ordnung ist« (109) rechnet.
Im vierten Kapitel, »Die Vision von Wald und Weinstock in 2Bar«, tritt der Dialog von außerbiblischem Textmaterial und altorientalischen Quellen, hier noch zusätzlich verbunden mit »alttestamentlichen Prätexten«, wie J. sie nennt, besonders deutlich zu­tage. Es zeige sich, »dass der Weinstock in 2Bar Züge des altorientalischen Gottes Ninurta trägt«, und dies vor allem aus dem Grund, weil »das Messiasbild, das die Syrische Baruch-Apokalypse vermittelt, auch militante Züge trägt« (139–149).
»Der Berg und der Mensch vom Meer in 4Esra 13« sind im abschließenden fünften Kapitel Mittelpunkt der Untersuchung. Die Vermischung der biblischen und altorientalischen Motivik erscheint hier am verwobensten, allerdings gelingt es J. auch hier, die verschiedenen Möglichkeiten schlüssig aufzuzeigen und zu bewerten. Seine Theorie ist, dass 4Esra 13 mehrere Motive geschickt kombiniert, nämlich das »Auf-dem-Wolken-Fahren« und das »Auf-dem-Berg-Stehen«, die beide typisch für den divine warrior sind, und zudem ein neues Motiv entwickelt, nämlich »die Abspaltung des Berges und seine Verwendung als Gefährt« (159). Inwieweit die hurro-hethitische Parallele aus dem Kumarbi-Mythos und die altägyptische Erzählung vom Duell der steinernen Schiffe tatsächlich einen Einfluss auf die Ideen in 4Esra 13 hatten, lässt J. in Berge als Widersacher. Studien zu einem Bergmotiv in der jüdischen Apokalyptik (bewusst?) offen.
Im »Schlusswort« fasst J. zusammen, dass das Motiv des Berges als Widersacher recht selten in der jüdischen Apokalyptik vorkommt, aber doch klar zu fassen ist. Wie im altorientalischen Quellenbefund vereinen sich hier göttliche und königliche Aspekte, die nun dem Messias als Charakeristika beigelegt werden. Noch einmal geht J. hier auf die einzelnen wertvollen Funde ein, die er im Laufe seiner Untersuchung an den einzelnene Texten gemacht hat, lässt aber das Fazit über die generelle Bedeutung des Motivs relativ offen.
J.’ Monographie Berge als Widersacher. Studien zu einem Bergmotiv in der jüdischen Apokalyptik ist ein Beispiel für ein ausgezeichnet recherchiertes und ansprechend geschriebenes Werk, das vor allem mit Methoden der traditionsgeschichtlichen Forschung arbeitet. Dass sich manche Motive »traditionsgeschichtlich schwer einordnen lassen« (159) bzw. dass »der Bogen der traditionsgeschichtlichen Arbeit in manchen Fällen ziemlich weit geschlagen wird« und manchmal nur »auf die möglichen Bahnen der Rezep-tion oder nur auf die jeweiligen motivgeschichtlichen Parallelen« (19) hingewiesen werden kann, erwähnt J. immer wieder, und dieser Umstand ist in der Gemeinschaft der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch hinreichend bekannt und die crux der traditionsgeschichtlichen Herangehensweise. Trotzdem haben wir hier ein Beispiel vorliegen, wo der traditionsgeschichtliche Versuch, ein apokalyptisches Motiv mit biblischen und sogar altorientalischen Quellen zu beleuchten, weitestgehend gelungen ist.