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Ausgabe:

Juli/August/2020

Spalte:

621–623

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Goodfellow, Peter

Titel/Untertitel:

Pflanzen und Tiere im Heiligen Land. Eine illustrierte Naturgeschichte der Bibel. Aus d. Engl. v. G. M. Vorderobermeier.

Verlag:

Darmstadt: Theiss Verlag (Wissenschaftliche Buchgesellschaft) 2019. 184 S. m. zahlr. Abb. u. 3 Ktn. Geb. EUR 32,00. ISBN 978-3-8062-3959-1.

Rezensent:

Peter Riede

Der Band zur biblischen Flora und Fauna umfasst 6 Kapitel. Die Einführung in »Geografie und Vegetation des Heiligen Landes« (I) bietet einen kurzen Überblick über die Besonderheit der palästinischen Landschafts- und Vegetationszonen und die klimatischen Voraussetzungen des Landes, die sich durch die Lage im Schnittpunkt dreier Kontinente ergibt. Die Vielfalt der Fauna wird aber kaum gestreift. Danach werden zunächst Bäume und Sträucher (II) und Getreide, Kräuter und Blumen (III) behandelt. Daran schließen sich drei Kapitel zu den Tieren an: Säugetiere (IV), Vögel (V) und andere Tiere (VI). Ein kurzes Literaturverzeichnis und ein Register der behandelten Pflanzen und Tiere schließen den Band ab. Dabei wird bei manchen Tieren und Pflanzen einzig der wissenschaftliche Name genannt. Ein Bibelstellenregister, das die Benutzung des Bandes erleichtert hätte, fehlt leider.
Der eher populärwissenschaftlich angelegte Band enthält eine Fülle von interessanten botanischen und tierkundlichen Informationen, die jeweils mit den biblischen Texten in Verbindung gebracht werden. Diese Informationen zeigen den besonderen Schwerpunkt (»Naturgeschichte«), den der Vf. mit seinem Werk intendiert. Das Aussehen von Pflanzen und ihren Teilen, ihre Be­deutung für Ernährung und Körperpflege, ihr Herkommen werden anschaulich beschrieben. Ähnlich ist es bei den Wildtieren, über deren Verbreitung, Lebensweise und Charakteristika genauso instruktiv informiert wird wie bei den domestizierten Tieren über ihre ursprüngliche Herkunft, ihre Verwendung als Last-, Transport- und Arbeitstiere und ihre Bedeutung für Ernährung und Bekleidung. Auf die Vogelwelt wird ein besonderes Augenmerk gelegt, ist der Vf. doch als begeisterter Ornithologe ausgewiesen.
Besonders hilfreich für Leserinnen und Leser ist, dass die jeweiligen Bibelstellen im Wortlaut zitiert werden, was die Benutzung vereinfacht. Das beigegebene Bildmaterial bildet die behandelten Pflanzen und Tiere ab und gibt so eine gute Vorstellung von deren Aussehen. Zeitgenössisches Bildmaterial aus der Umwelt des Alten Testaments wird dagegen nur einmal herangezogen.
Leider fehlt bei der Behandlung vieler biblischer Stellen die theologische Tiefe der Betrachtung und auch der exegetische Hintergrund, insbesondere bei den vielen metaphorischen Bezügen zur Tier- und Pflanzenwelt. So bleibt z. B. die Mehrdeutigkeit von Hld 8,2 völlig außer Acht, und der »Nektar von meinen Granatäpfeln« wird zum »beliebten Getränk« für die Sommermonate (35). Kein Wort davon, dass es sich um Bilder für den Liebesgenuss handelt, und auch keine Erklärung für die mit Granatäpfeln verbundene Fruchtbarkeits- und Lebenssymbolik, die dazu beitrug, dass diese Früchte nachgebildet z. B. das hohepriesterliche Gewand (Ex 28,33 ff.) oder auch Ausstattungen des Jerusalemer Tempels verzierten.
Oberflächlich bleiben leider auch die Ausführungen zum Lö­wen (72–77), dem »Helden unter den Tieren« (Spr 30,30), der in vielen Vergleichen und Metaphern für JHWH oder den König Kraft, Mut und Raubgier verkörpert und zum Symboltier des Königtums wurde. Merkwürdig naiv mutet die Erklärung der Verteilung der Löwenerwähnungen auf Altes Testament (ca. 130 Belege) und Neues Testament (insgesamt nur 8) an: »Die Israeliten beschrieben Gott in den frühen Tagen der Niederschrift der Bibel immer wieder als einen mächtigen Gott, während Jesus und die Autoren des Neuen Testaments ihn als Gott der Liebe darstellten, so dass es nicht verwunderlich ist, wenn die Löwen in den Hintergrund traten« (74) – und das angesichts einer Stelle wie 1Petr 5,8, die nur wenige Zeilen weiter zitiert wird.
An manchen Stellen ergibt sich der Eindruck einer eher assoziativen Anordnung der biblischen Belege. So folgt dem Hinweis auf den Lagerplatz Abrams beim Baumheiligtum in Sichem (Gen 12,1–7) mit dem Kommentar – »Es war […] naheliegend für den gottesfürchtigen Abram, hier sein Lager aufzuschlagen, auch um zu verhindern, dass seine großen Schaf-, Rinder- und Ziegenherden die Felder der Kaananiter beschädigten« (13) – der Verweis auf ein Bildwort in Am 2,9, wo die Amoriter mit mächtigen Zedern verglichen werden. Die religiöse Funktion solcher Baumheiligtümer in der Frühzeit Israels und darüber hinaus (vgl. die deuteronomistische und prophetische Kritik an Kulten »unter jedem grünen Baum«, z. B. 2Kön 17,10 f.) bleibt aber im Dunkeln. Dafür wird auf die griechische Mythologie und die Verehrung des Küstenmammutbaumes in Nordamerika verwiesen.
Auf Hunde wird merkwürdigerweise gar nicht eingegangen, obwohl sie im Bereich der Städte (vgl. z. B. 1Kön 14,11) eine wichtige Rolle als Aasfresser und Gesundheitspolizei spielten.
Störend ist der en passant gebrauchte Hinweis (vgl. 40.81.94) auf »alttestamentarische« (statt: alttestamentliche) Zeiten, auch wenn dies vielleicht der Übersetzung geschuldet ist (vgl. zur Problematik des Begriffs: G. Freuling, Art. alttestamentarisch/alttestamentlich, wibilex, abgerufen am 07.04.2020).
Insgesamt ermöglicht der Band einen ersten Überblick über die Pflanzen und Tiere der Bibel aus naturkundlicher Perspektive. Wer mehr über deren Einbettung in die Lebenswelt, Kultur und Reli-gion des alten Israel wissen und vor allem verstehen möchte, und wer tiefer in den Bereich der biblischen Tier- und Pflanzenmetaphorik eintauchen möchte, muss sich anderweitig informieren. Gerade die deutschsprachige Forschung hat in den letzten 20 Jahren manch gute Einführungen in diese Zusammenhänge bereitgestellt.