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Ausgabe:

Oktober/2016

Spalte:

1051–1052

Kategorie:

Altertumswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Theis, Christoffer

Titel/Untertitel:

Magie und Raum. Der magische Schutz ausgewählter Räume im alten Ägypten nebst einem Vergleich zu angrenzenden Kulturbereichen.

Verlag:

Tübingen: Mohr Siebeck 2014. XV, 1032 S. m. Abb. = Orientalische Religionen in der Antike, 13. Lw. EUR 139,00. ISBN 978-3-16-153556-7.

Rezensent:

Martin Rösel

Die anzuzeigende Studie von Christoffer Theis ist eine gekürzte (!) Dissertation (Heidelberg 2013), die von J. F. Quack und H. W. Fi­scher-Elfert betreut wurde. Sie beschäftigt sich mit der Frage, wie ganz un­terschiedliche Räume – vom Land Ägypten bis hin zum privaten Schlafgemach – durch Magie geschützt werden können. Der Untertitel deutet an, dass der Blick über den engeren Bereich Ägyptens hinaus geweitet wird, allerdings sind die entsprechenden Passagen eher kurz, so dass sie eher als Problemanzeige oder Ge­sprächsangebot für interdisziplinäre Forschungen zu verstehen sind.
Nach einer kurzen Einleitung (1–5) und Hinweisen zum Aufbau der Arbeit (6–9) werden in Kapitel 3 (10–63) die Grundlagen der Studie gelegt, indem die Begriffe »Magie« und »Raum« definiert werden, eine forschungsgeschichtliche Einordnung gegeben und die Abgrenzung gegenüber magischer Literatur gezogen wird; auch werden die ägyptischen Begriffe und mit die dem magischen Schutz befassten Berufe genannt. Dabei wird ein weiter Begriff von Magie zugrunde gelegt: »Magie kann bewirken, dass ein fester Wille, be­kräftigt durch einen Spruch, einen Akt oder ein Instrument, fähig ist, die Welt in die vom Aktanten respektive Rezipienten gewollten Bahnen zu lenken« (12), wobei der Fokus der Studie auf das Wortgeschehen »behütende Sprüche« gelegt wird. Magie wird dabei als »Unterpunkt von Religion« (ebd.) verstanden; die Grenzen zwischen Kult und Magie sind fließend und gemeinsam Ausdruck eines Weltverständnisses, nach dem Menschen dem Wirken höherer Mächte ausgesetzt sind, gegen die man sich unter Umständen zur Wehr setzen muss (13). Weitere Differenzierungen sind die von begünstigender und schädlicher Magie, wobei hier vor allem die erste Form im Blick ist, die im Wesentlichen durch Sprüche wirkt. Zu unterscheiden sind auch aktive und passive Magie; bei der Ersteren ist ein zusätzlicher Akt als magische Handlung nötig, bei der Zweiten wirkt der Spruch aus sich selbst heraus (29).
Die einschlägigen ägyptischen Begriffe sind vor allem µk3 und 3—w, die beide mit »Magie« oder »Zauber« übersetzt werden können. Danach werden die einschlägigen Berufe vorgestellt, vor allem Ma­gier, Ärzte und Priester, wobei eindeutige Unterscheidungen der jeweiligen Aufgaben und Zuständigkeiten nicht möglich sind; oft ist nicht einmal klar, wer jeweils die magischen Sprüche geäußert hat. Unklar sind auch die Ausbildungswege dieser Spezialisten.
In den folgenden Abschnitten werden dann die einzelnen Räume und die jeweils zu ihrem Schutz überlieferten Sprüche vorgestellt. Das beginnt beim Schutz des Landes Ägypten (Kapitel 4; 64–102); die Ächtungstexte sind wegen der Nennung von Ortsnamen aus der Levante auch für das Alte Testament von Interesse (die Karten auf S. 82 f. und 85 sind allerdings kaum lesbar beschriftet), auch das Ritual des Zerbrechens eines Kruges (vgl. Ps 2,9; Jer 9; 93). Die nächst kleinere Einheit ist dann die Stadt (Kapitel 5, 103–116), wobei es interessanterweise für diese großen Räume nur sehr wenige Belege gibt. Es folgt der Schutz der Tempel und Heiligtümer (Kapitel 6, 117–257) mit interessanten Details etwa zum Schutz der Tempel durch löwengestaltige Wasserspeier oder ein Ritual aus Esna, das an das Sündenbock-Ritual aus Lev 16 erinnert (245–250).
Ein besonderes Ritual ist das der »vier Kugeln« (Kapitel 7, 258–289), bei dem durch das Werfen von vier Kugeln ein besonderer Raum zum Schutz von Osiris bzw. einem Privatmann ein Raum erst geschaffen wird. Kapitel 8 geht es um den magischen Schutz des Palastes (290–309), hier finden sich auch Hinweise auf die be­kannten Schutzgenien aus Syrien/Mesopotamien; Kapitel 9 be­schäftigt sich mit dem privaten Haus (310–386), wobei entsprechende Texte bis in die koptische Zeit belegt sind; erneut werden Parallelen aus Mesopotamien und der Levante genannt. Zum magischen Schutz des Schlafgemachs (Kapitel 10, 387–432) gibt es dagegen keine Parallelen aus der Umwelt. Besonders ausführlich sind dann die Hinweise zum Schutz des Grabes (Kapitel 11, 433–590); der Passus zu Gräbern in Syrien-Palästina ist allerdings nicht ganz auf der Höhe der alttestamentlichen Forschung.
Kapitel 12 und 13 dienen der Auswertung (591–696) und konzisen Zusammenfassung (697–705). Zunächst werden in einer veränderten Systematik sieben Kategorien dargestellt: »schutzmächtige Wesen«, vor allem Götter, mit einem Ausblick auf jüdische Gottesnamen, dann »Feinde des Raumes«, »schutzmächtige Mittel« wie Amulette, Stäbe oder apotropäische Schlangenbilder. Hier hätte ich einen Hinweis auf Num 21 erwartet, wenn schon die Plagenerzählung Ex 7 genannt wird. Dann wird die »temporale Komponente« dargestellt, wann und wie lange ein Spruch schützen kann. Auffällig sind weiter die in den Sprüchen genannten »Zahlen«, vor allem die vier, dann die Verwendung von »Feuerbecken, Flamme und Fackel«, die im Ritual zum Verbrennen von Feindfiguren verwendet werden konnten. Abschließend werden die »bedrohten Raumteile« genannt, vor allem die Öffnungen und Fundamente der Räume.
In der Zusammenfassung wird nochmals auf das Problem hingewiesen, dass Sprüche zum Schutz der Grabstätte im Alten Reich noch häufig sind, dann aber immer seltener werden, was vielleicht mit dem Wissen um die tatsächlich erfolgten Grabräubereien zu erklären ist; Spruch 151 des Totenbuches hat wohl die Funktion übernommen (697 f.). Auffällig ist ein sehr breites Spektrum von eingesetzten Texten und Mitteln zum Schutz vor innerweltlichen oder jenseitigen Gefahren, die interessanterweise auch die Wahrnehmung der jeweils angerufenen Gottheit verändern können – hin zu einem dämonenhaften Wesen (699). Hier bieten sich in-teressante Anknüpfungspunkte für alttestamentliche Gottesprädikationen.
Es folgen ein reichhaltiger Anhang (708–849), das Literaturverzeichnis (851–978) und ausführliche Indizes; in der Materialsammlung sind etwa die Übersicht der schützenden Götter oder die Namen in den Ächtungstexten für das Alte Testament von Interesse; das Buch ermöglicht einen leichten Zugang zu dem verstreut publizierten Material.
Es handelt sich um eine hochinteressante, sehr gelehrte Arbeit, die den Zeitraum vom Alten Reich bis in die koptische Zeit in den Blick nimmt und gelegentlich selbst spätere arabische Zeugnisse zur Klärung heranzieht. Zwar ist es für einen Nicht-Ägyptologen nicht möglich, die Ergebnisse zu überprüfen, dies auch angesichts der Materialfülle, doch es ist jedenfalls deutlich, dass es sich um eine sehr anregende Arbeit handelt, umso mehr, wenn sie parallel zur einschlägigen Studie von Rüdiger Schmitt (Magie im Alten Testament, 2004) gelesen wird.