Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Juli/August/2015

Spalte:

816–817

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Hoffmann, Martin

Titel/Untertitel:

Studienbuch Martin Luther. Grundtexte und Deutungen.

Verlag:

Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2014. 248 S. Kart. EUR 28,00. ISBN 978-3-374-03727-8.

Rezensent:

Albrecht Beutel

»Eine weitere Einführung in die Theologie Martin Luthers, ein Leitfaden durch sein kolossales Werk – ist das nötig und ist es sinnvoll in einer Konzentration auf zehn Themen?« (11) Im Verlauf von 248 Seiten sucht Martin Hoffmann, seit 2012 Professor für Systematische Theologie an der Universidad Biblica Latinoamericana in San José (Costa Rica), ein klares »Ja« auf seine eingangs gestellte Frage herbeizuführen und zu begründen.
Den Zugang, den er für sein Studienbuch wählt, nennt H. »perspektivisch« (11). Damit soll freilich nicht etwa die Gültigkeit der von ihm entwickelten Sichtweise relativiert, sondern die von Luther höchstselbst gewählte theologische Blickrichtung zum Maßstab gemacht werden. Dergestalt würden sich »von der Kreuzesperspektive her die Schlüsselthemen seiner Theologie entfalten« (13) lassen. In solcher »Perspektive« wird »Luthers Theologie insgesamt [!]« (13) unter den folgenden Themen entwickelt: »Der Auftakt der Reformation«, »Das Kreuz«, »Die Schrift«, »Die Rechtfertigung«, »Der Mensch«, »Die Kirche« sowie, an die alte Drei-Stände-Lehre an­gelehnt, »Die Ethik des christlichen Lebens«, »Die politische Ethik« und »Die Wirtschaftsethik«. Bei sorgfältiger Addition dieser Aspekte kommt man indessen nicht, wie eingangs in Aussicht gestellt, auf zehn Themen, sondern auf neun. Das letzte Kapitel »Die un-vollendete Reformation« – muss man für diese Formel wirklich Hans-Joachim Iwand (1899–1960) als Kronzeugen bemühen (232)? – fällt inhaltlich und formal aus dem vorher gezogenen Rahmen, zielt auf die »Auseinandersetzung mit der Moderne« (238) und stellt insofern ohnehin keinen Beitrag zu »Luthers Theologie insgesamt« dar.
Die ersten neun Kapitel folgen einem gleichbleibenden Muster. Zunächst bietet H. eine kurze Einführung in die Problemstellung, zu der dann zentrale, ins Deutsche übersetzte oder sprachlich modernisierte Textpassagen Luthers geboten werden. Ein dritter Schritt formuliert elementardidaktische Leitfragen, die jeweils bei der Befindlichkeit des Lesers einsetzen (z. B. »Machen Sie sich be­wusst, welches Verständnis Sie persönlich von ›Buße‹ haben!« [24] oder »Welche Rolle spielt die Bibel für Ihren Glauben?« [61]) und ihn daraufhin zu basalen Sachfragen führen. Danach präsentiert H. seine eigene »Darstellung und Deutung des Themas« und schließt mit sehr knappen Verweisen auf »vertiefende Literatur«.
Die mehrfach begegnende Fehlschreibung von Personennamen (korrekt z. B.: Berndt Hamm, Walther von Loewenich, Johannes von Lüpke) mag man als unbedeutende Schönheitsfehler stillschweigend in Kauf nehmen. Ungleich gravierender ist die höchst arbiträre Auswahl der herangezogenen Forschungsliteratur, in der Iwand unproportional breit vertreten ist, aktuelle Titel wie die thematisch zentral einschlägige Monographie »Kreuzestheologie« von Michael Korthaus (2007) oder das »Luther Handbuch« ( 22010) hingegen vermisst werden und etwa die RGG nur in ihrer dritten, nicht in der längst vorliegenden vierten Auflage berücksichtigt wird.
Ist also, um auf die Eingangsfrage H.s zurückzukommen, dieses »Studienbuch Martin Luther« tatsächlich nötig? Obschon aus dem lateinamerikanischen Entstehungskontext erwachsen, hat es H. ausdrücklich »für den europäischen Kontext« (13) geschrieben; näherhin soll es dem Zweck dienen, in die vom selben Verlag bereitgestellte Lateinisch-Deutsche und Deutsch-Deutsche Luther-Studienausgabe »einzuführen« (17). Angesichts der komplexitätsreduktiven Elementarisierung des Stoffes und seiner Probleme kommt eine Verwendung im akademischen Unterricht kaum in Betracht. Dagegen mag es in der kirchlichen Jugend- und Erwachsenenbildung, in Grundkursen der gymnasialen Oberstufe und gewiss auch im Bonner Hans-Iwand-Haus, sollte es dereinst wiedererstehen, freundliche Aufnahme finden.