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Ausgabe:

März/2015

Spalte:

236–238

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Hoek, Annewies van den, and John J. Herrmann Jr.

Titel/Untertitel:

Pottery, Pavements, and Paradise. Iconographic and Textual Studies on Late Antiquity

Verlag:

Leiden u. a.: Brill 2013. XXII, 582 S. m. zahlr. Abb. = Supplements to Vigiliae Christianae, 122. Geb. EUR 167,00. ISBN 978-90-04-25538-8.

Rezensent:

Armin Bergmeier

Dieser Sammelband vereint die zum größten Teil in Kooperation des Autorenehepaars in den vergangenen 14 Jahren entstandenen Publikationen. Die Artikel beschreiben einen engen Themenkreis, der die frühe Kirchengeschichte, Theologie und die spätantike Bildkunst umfasst. Neun der zwölf Aufsätze sind eigens für die Publikation überarbeitet worden und die drei übrigen sind hier erstmals publiziert. Zentraler Untersuchungsgegenstand ist häufig die terra sigillata Keramik aus Tunesien (African Red Slip Ware). Der große Verdienst der hier versammelten Texte liegt darin, dieses häufig vernachlässigte Bildmedium zur Erforschung der spätantiken Kunstgeschichte zu nutzen. Die Tonwaren, die von Tunesien aus im gesamten Mittelmeerraum verbreitet wurden, liefern wichtige Erkenntnisse über das Alltagsleben sowie zur spätantiken Geistes- und Motivgeschichte. Die Bilder auf den Tongefäßen verfügen über eine beachtliche Varianz der Darstellungen und sind im Unterschied zu anderen Bildmedien relativ genau datierbar. Neben der Keramik liegt ein weiterer Fokus auf der Analyse von Schriftquellen und deren Wechselwirkung mit der Bildproduktion. Der Titel des Bandes ist insoweit irreführend, als zwar der Keramik ( pottery) ein großer Stellenwert innerhalb der gesammelten Aufsätze zukommt, jedoch nur zwei der Artikel Paradies- und Endzeitvorstellungen behandeln und lediglich ein Artikel Bodenmosaiken (pavements) zum Thema hat.
Das Interesse der Autoren an allgegenwärtigen Objekten, die aufgrund ihrer »Banalität« oft wenig Beachtung finden, zeigt sich bereits im ersten Beitrag (»Paulinus of Nola, Courtyards, and Canthari«): Brunnen in den Atrien von Kirchen, die der symbolischen Reinigung der Gläubigen vor dem Kirchenbesuch dienten, waren bis ins Mittelalter hinein allgegenwärtig. Oft fungierten antike Kanth-aroi – monolithische monumentale Marmorgefäße mit geschwungenen Henkeln – als Atriumsbrunnen. Noch heute ist einer in der Kirche S. Cecilia in Trastevere aufgestellt. Ausgehend von der Erwähnung des Kantharos im Atrium von Alt-St. Peter bei Paulinus von Nola entwickeln die Autoren die spätantike Assoziation dieser Ob­jekte mit bacchantischen Konzepten.
Vier Artikel widmen sich enigmatischen Darstellungen, die sich auf Tongefäßen und Lampen aus Tunesien finden. Die Autoren deuten die Darstellungen einer stehenden Frauenfigur zwischen zwei Löwen überzeugend als Bild der Heiligen Thekla (»Thecla the Beast Fighter«). Ein weiterer Aufsatz behandelt die Darstellung des Anicius Auchenius Bassus, Konsul im Jahre 408, zwischen den Aposteln Petrus und Paulus (»Anicius Auchenius Bassus, African Red Slip Ware, and the Church«). Dieses ungewöhnliche Motiv führen die Autoren auf die zeitgleiche Auseinandersetzung mit den Donatisten zurück. Das Bild der in Rom verehrten Apostelfürsten betonte die Dominanz der römischen Ordnung. In zwei weiteren Aufsätzen beleuchten die Autoren den Umgang mit antiker Motivik in der christlichen Spätantike, so die Darstellung des an den Mast gefesselten Odysseus und Bilder von Tierkampfspielen (»Odysseus Wanders into Late Antiquity« und »Execution as Entertainment«).
Die Offenbarung des Johannes, andere prophetische Texte und deren Niederschlag in der spätantiken Bildsprache werden in zwei weiteren Artikeln behandelt. Die Erschließung der bislang wenig bekannten Bilder auf tunesischen Keramiken bietet eine willkommene Ergänzung zu dem bekannten und viel diskutierten Korpus von Bildern, die meist der monumentalen Kunst angehören. Besonders deutlich wird der große Nutzen der Keramikanalyse im Artikel über die Himmelfahrt Christi (»Two Men in White«), die mit »apokalyptischen« Motiven angereichert wurde. Die Autoren können zeigen, dass dieses Bildformular keinesfalls, wie immer behauptet, aus dem Osten stammt, sondern im Westen seinen Ursprung hat. Sowohl die Darstellung der Himmelfahrt/Parusie auf der Holztür von S. Sabina in Rom (422–440), als auch die Darstellungen auf den tunesischen Lampen (440–470) datieren vor den frühesten östlichen Beispielen. Diese überzeugende These löst eine Reihe von Ungereimtheiten auf, welche die bisherige Forschung gern ignoriert hat. Ein weiterer Artikel zu apokalyptischen Themen (»Apocalyptic Themes in the Monumental and Minor Art of Early Christianity«) ist so erschöpfend, wie er wenig Neues bietet. Dort, wo neue Deutungsvorschläge gemacht werden, können sie wenig überzeugen, beispielsweise der Versuch, das Bildschema der Gesetzesübergabe an Petrus (Traditio Legis) als Synthese aus der Offenbarung des Johannes und der Tempelvision des Hesekiel zu deuten. Die Schlussfolgerung der Autoren, die Ikonographie entstamme der Sarkophagplastik, muss zurückgewiesen werden, wie Cecilia Davis-Weyer 1961 bereits überzeugend gezeigt hat.
Die fruchtbare Verbindung von Text- und Bilduntersuchungen zeigt sich in weiteren Aufsätzen. Im Artikel über die Dioskuren Castor und Pollux (»Divine Twins or Saintly Twins«) zeigen die Autoren, wie diese antiken Heroen christianisiert wurden und sogar in christlichen Kontexten als Bilder der in brüderlicher Liebe einander zugeneigten Retter dargestellt wurden. Eine ganz ähnliche Bedeutungszuschreibung erfuhr auch das christliche Apostelpaar Petrus und Paulus (»The Saga of Peter and Paul«). Goldgläser und andere Bildträger, die die Apostel als einträchtiges Paar vereint zeigen, stellen eine spätere Konstruktion dieses Verhältnisses dar, denn frühe Textquellen zeugen vielmehr von einem Konflikt der Lehren der Apostelfürsten.
Schließlich konzentrieren sich die drei übrigen Artikel auf die Untersuchung der spätantiken Geistesgeschichte anhand von Textquellen. Zwei Artikel beschäftigen sich mit den Schriften des Clemens von Alexandria, dessen Schriften sich durch seine elaborierte Bildsprache auszeichnen. In diesem Sinne untersuchen die Autoren Clemens’ Interpretation zweier antiker Motive, der Sphinx und des Akrobaten, als möglichen Ausdruck für christliche Inhalte (»The Sphinx« und »Clement of Alexandria, Acrobats, and the Elite«). Clemens unterstützt dies im ersten Fall und verwirft dies im zweiten Fall. Beide Motive sind jedoch nicht oder kaum in christlichen Bildern dargestellt worden. Der Artikel über Celsus, dessen Streitschrift gegen das Christentum nur indirekt durch Origenes (»Contra Celsum«) überliefert ist, zeigt den Blick von außen auf das neue christliche Selbstverständnis (um 170).
Für Celsus war Jesus ein minderwertiger Zauberer, der unwürdig als Krimineller gestorben war. Er schlug deshalb den Christen alternative mythologische Helden vor, die sich besser für eine Verehrung eigneten: Herakles, Asklepius und Orpheus. Interessanterweise schlug Celsus nicht nur Helden der »paganen« Mythen vor, sondern auch Helden des Alten Testaments, nämlich Daniel und Jonas. Diese beiden gehören denn auch zu den frühesten christlichen Darstellungen biblischer Personen überhaupt. Sie reflektieren das Interesse an der Wiederauferstehungsthematik, das nicht nur die Christen, sondern auch den Heiden Celsus umtrieb.
Ähnlich wie hier sind die in diesem Band versammelten Untersuchungen an der Schnittstelle von Text- und Bildproduktion am stärksten. Darüber hinaus bringen die Texte nicht nur die Bildvielfalt der tunesischen Keramik näher, sondern machen diese Objekte des täglichen Gebrauchs auch für weitere Fragestellungen nutzbar.