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Ausgabe:

November/2014

Spalte:

1296–1297

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Boda, Mark J., Dempsey, Carol J., and LeAnn Snow Flesher [Eds.]

Titel/Untertitel:

Daughter Zion. Her Portrait, Her Response.

Verlag:

Atlanta: Society of Biblical Literature 2012. 440 S. = Ancient Israel and Its Literature, 13. Kart. US$ 35,95. ISBN 978-1-58983-701-0.

Rezensent:

Judith Gärtner

Der von Mark J. Boda, Carol J. Dempsey und LeAnn Snow Flesher herausgegebene Sammelband vereint 15 Beiträge, die sich intensiv mit der Monographie von Carleen R. Mandolfo, »Daughter Zion Talks Back to the Prophets: A Dialogic Theology of the Book of Lamenta-tions«, erschienen in Semeia Studies 58, Atlanta 2007, auseinandersetzen. Angestoßen hat die Monographie von C. Mandolfo eine vor allem hermeneutische und feministisch-theologische Auseinandersetzung um die in den Klageliedern zum Ausdruck kommende Stimme der Tochter Zion. Dabei fokussiert sie zunächst die Klagelieder selbst, bevor sie die dort herausgearbeitete literarische Stimme der Tochter Zion auf der Basis ihres synchronen und dialogorientierten Ansatzes mit den an Zion adressierten Texten aus dem Corpus Propheticum ins Gespräch bringt.
Das Ergebnis ihrer Studie provozierte eine grundsätzliche Auseinandersetzung über ihren hermeneutischen Ansatz sowie eine Debatte über die Bedeutung von »gender« als Interpretament biblischer Texte. Daher widmete man dem Entwurf von C. Mandolfo eine Session in der Biblical Hebrew Poetry Section beim Annual Meeting der Society of Biblical Literature 2008 in Boston. Aus diesem Diskussionsprozess erwuchs der vorliegende Sammelband.
Die Beiträge eint ein differenziertes hermeneutisches Bewusstsein der jeweils eigenen synchronen Zugangsweise zu den biblischen Texten sowie eine Genderperspektive, in der die Multiperspektivität feministisch-theologischer Textauslegung sichtbar wird. Darüber hinaus legen sieben der 15 Beiträge ihren Fokus wie C. Mandolfo auf die Klagelieder, so dass diese Essays für sich genommen eine interessante Diskussion der in den Klageliedern zum Ausdruck kommenden weiblichen Figuration Zions in ihrer kanonischen Bedeutung bieten.
Der Sammelband beginnt mit einer höchst instruktiven Einleitung der Herausgeber (1–10), die sowohl in die Fragestellung als auch in die einzelnen Beiträge einführt. Es folgen Beiträge von: Barbara Green, »Cognitive Linguistics and the ›Idolatry-Is-Adultery‹ Metaphor of Jeremiah 2–3« (11–38); Jill Middlemas, »Speaking of Speaking: The Form of Zion’s Suffering in Lamentations« (39–54); Lena-Sofia Tiemeyer, »Isaiah 40–55: A Judahite Reading Drama« (55–75); Stephen L. Cook, »The Fecundity of Fair Zion: Beauty and Fruitfulness as Spirit­ual Fulfillment« (77–99); Mary L. Conway, »Daughter Zion: Metaphor and Dialogue in the Book of Lamentations« (101–126); Brittany Kim, »Yhwh as Jealous Husband: Abusive Authoritarian or Passionate Protector? A Reexamination of a Prophetic Image« (127–147); John F. Hobbins, »Zion’s Plea that God See Her as She Sees Herself: Unanswered Prayer in Lamentations 1–2« (149–176); Michael H. Floyd, »The Daughter of Zion Goes Fishing in Heaven« (177–200); Mignon R. Jacobs, »Ezekiel 16 – Shared Memory of Yhwh’s Relationship with Jerusalem: A Story of Fraught Expectations« (201–223); Christl M. Maier, »Zion’s Body as a Site of God’s Motherhood in Isaiah 66:7–14« (225–242); Cheryl A. Kirk-Duggan, »Demonized Children and Traumatized, Battered Wives: Daughter Zion as Biblical Metaphor of Domestic and Sexual Violence« (243–267); Kim Lan Nguyen, »Mission Not Impossible: Justifying Zion’s Destruction and Exoneration the Common Survivors« (269–291); LeAnn Snow Flesher, »Daughter Zion: Codependent No More« (293–320); Mark J. Boda, »The Daughter’s Joy« (321–342) sowie CarolJ. Dempsey »›Whose God Is This Anyway?‹: A Response to Carleen Mandolfo« (343–354). Der letzte Beitrag ist eine Antwort auf die unterschiedlichen Beiträge von C. Mandolfo: »Daughter Zion Talks Back to Her Interlocutors« (355–367). Der Band wird mit einem Literaturverzeichnis, einem Bibelstellen- sowie ­Autorenregister beschlossen (369–429).
Diese in dem Sammelband vereinte konstruktive Auseinandersetzung mit C. Mandolfos Thesen ist in vierfacher Hinsicht weiterführend. Erstens zeigt sie in methodologischer Hinsicht die Notwendigkeit einer metapherntheoretischen Diskussion, wie sie vor allem in den beiden Beiträgen von B. Green und C. Dempsey geführt wird. Zweitens wird in den meisten Essays der dialogorientierte Ansatz von C. Mandolfo aufgenommen, indem im Sinne des »canonical approach« unterschiedliche Textbereiche miteinander ins Gespräch gebracht und auf der Basis dieses Vergleichs in ihrer zionstheologischen Eigenart profiliert werden. Exemplarisch ist diesbezüglich der Artikel von L. Snow Flesher zu nennen, die, ganz im Sinne C. Mandolfos ausgehend von der Verwendung der Vatermetaphorik, Klgl 5,3 mit Jes 63,16 und Jes 64,7 in einen Dialog bringt. Auch M. Boda geht es auf dem Hintergrund einer formkritischen Analyse darum, anhand der unterschiedlichen Aufrufe an Zion bzw. Jerusalem, wie z. B. in Sach 2,14; Zef 3,14–15; Joel 2,21–23; Hos 9,1, diese Stimme als weibliche Stimme im Kontext der Hebräischen Bibel zu profilieren. Drittens vereint der Band unterschied-liche feministisch-theologische Ansätze, wie sie z. B. in dem Artikel von C. Maier zur Verwendung der Muttermetaphorik für Zion in Jes 66,7–14 ebenso zum Ausdruck kommen wie in dem Artikel von C. Kirk-Duggan, die vor allem auf der Basis von Hos 2 die biblische Metaphorik von sexueller Gewalt aufarbeitet. Viertens schließ-lich finden sich in dem Sammelband auch kritische Stimmen zu C. Mandolfos Ansatz. Diese können sowohl grundsätzlich theologisch ausfallen (vgl. hierzu die Einwände von S. Cook, 77–88). An-dere Autoren, wie z. B. M. Floyd, B. Kim oder K. Nguyen, fordern von C. Mandolfo auch eine historische Kontextualisierung biblischer Texte. So fehlt M. Floyd bei C. Mandolfo ein traditionsgeschicht-liches Bewusstsein bei der Analyse der unterschiedlichen weiblichen Figurationen der Tochter Zion, um die Differenziertheit der verwendeten Metaphern wahrnehmen zu können. B. Kim stellt zu Recht die Frage nach den ursprünglichen Adressaten und formuliert damit wie auch K. Nguyen letztlich die Frage nach den Autoren biblischer Texte bzw. ihrer Argumentationsstrategie.
Somit ist es gerade diese Multiperspektivität in kritischer Zustimmung, Modifizierung und auch Ablehnung der Thesen C. Mandolfos, die diesen Sammelband zu einem interessanten Beitrag in der Auseinandersetzung um eine hermeneutisch differenzierte und genderorientierte Synchronlesung macht.