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Ausgabe:

April/2014

Spalte:

466–467

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Breytenbach, Cilliers, and Jörg Frey [Eds./Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Reflections on the Early Christian History of Religion – Erwägungen zur frühchristlichen Religionsgeschichte.

Verlag:

Leiden u. a.: Brill 2012. XIV, 374 S. = Ancient Judaism and Early Christianity, 81. Geb. EUR 123,00. ISBN 978-90-04-23065-1.

Rezensent:

Stefan Krauter

Im Kern ist dieser Band die Dokumentation einer Berliner Tagung (2007) zu M. Hengels und A. M. Schwemers »Jesus und das Judentum« (Tübingen 2007) sowie einer früheren Tagung, die ebenfalls in Berlin stattgefunden hat (2005), zu L. Hurtados »Lord Jesus Christ« (Grand Rapids 2003). Ergänzend treten ein einführender Beitrag von C. Breytenbach hinzu sowie ein abschließender Teil mit Beiträgen zu verschiedenen Themen der Geschichte der frühchristlichen Religion.

C. Breytenbach nimmt in seinem Beitrag (1–25) zu den grundlegenden Fragen Stellung, wie sich eine Religionsgeschichte des Urchristentums, eine Theologiegeschichte des Urchristentums und eine Theologie des Neuen Testaments zueinander sowie zu den Disziplinen, auf denen sie aufbauen, nämlich der Exegese einzelner frühchristlicher Texte, der Geschichte der urchristlichen Literatur sowie der Erforschung der Lebens- und Gedankenwelt der frühen Christen, verhalten. Während für Breytenbach eine Theologiegeschichte eher nur ein zusammenfassender Anhang zur Literaturgeschichte ist, sieht er in einer Religionsgeschichte des frühen Christentums und einer Theologie des Neuen Testaments zwei in ihrer Zielsetzung unterschiedene gleichberechtigte Aufgaben. Die Art und Weise, wie er sie näher bestimmt, regt zu weiteren Diskussionen an. Bedenkenswert ist seine Argumentation gegen die Rede von »Innen-« und »Außenperspektive«, denn 2000 Jahre alte Texte kann man nie aus einer »Innenperspektive« heraus verstehen. Weniger überzeugend scheint mir, dass er hinsichtlich beider Aufgaben meint, dass Zustimmung, Ablehnung oder Indifferenz des Forschers möglich seien. Für eine Geschichte der urchristlichen Religion ist das richtig, aber Theologie – und damit auch die Abfassung einer Theologie des Neuen Testaments – kann man nur aus einer Haltung grundlegender Zustimmung (was nicht dasselbe ist wie Kritiklosigkeit) betreiben. Von daher scheint mir Breytenbachs polemische Ablehnung gegenüber H. Räisänens klarer Unterscheidung zwischen religionswissenschaftlicher und theologischer Herangehensweise an das frühe Christentum noch nicht das letzte Wort zu sein.

Den folgenden Teil 1 eröffnet ein Rückblick M. Hengels auf seine Arbeit an »Jesus und das Judentum« (29–46), wie immer bei Hengel weniger eine methodologische Erörterung als eine materialreiche Auseinandersetzung mit inhaltlichen Fragen. M. Öhler (47–80) vertieft die Frage nach einer möglichen Kontinuität zwischen dem »irdischen Jesus« und dem »verkündigten Christus« des Urchris­tentums, indem er auf Konzepte von Kontinuität in der Ge­schichtswissenschaft eingeht. Der Beitrag von G. Stemberger (81–99) ist eher eine Art (kritischer) Kommentar zu einigen von Hengel und Schwemer in ihrem Werk vertretenen Ansichten zu Phänomenen des antiken Judentums. S. Freyne wiederum möchte von einer an­deren Herangehensweise her, nämlich der Deutung von Jesustraditionen aus ihrem Entstehungskontext, dem Wirken Jesu in Ga­-liläa, grundlegende Einsichten von Hengels und Schwemers Werk bestätigen.

Der zweite, Hurtados »Lord Jesus Christ« gewidmete Teil be­ginnt mit einem programmatischen Aufsatz von J. Frey (117–169). Er ordnet Hurtado (und Hengel) in eine »neue religionsgeschichtliche Perspektive« ein, die mit der religionsgeschichtlichen Schule zwar die dezidiert historische Fragerichtung teilt, aber das frühe Christentum nicht von paganen Kulten her, sondern ganz im Kontext des antiken Judentums versteht. J. Schröter (171–194) untersucht triadische Formeln und das Verhältnis von Gott, Christus und Geist im Neuen Testament und stimmt Hurtado zu, dass die »hohe Christologie« des Neuen Testaments, aus der sich später die christliche Trinitätstheologie entwickelt, im Rahmen des antik-jüdischen Monotheismus bleibt. Es folgen zwei Beiträge aus kirchengeschichtlicher Perspektive. C. Markschies (195–210) bietet ein zustimmend-kritisches Gespräch mit Hurtado über die Entwick-lung der Christusverehrung im 2. Jh. H. Löhr (211–229) untersucht das differenzierte Verhältnis zwischen Gott und Christus im liturgischen Geschehen des frühchristlichen Gottesdienstes.

Teil 3 bietet vier verschiedene Beiträge: von W. Loader über die frohe Botschaft für die Armen bei Jesus und in den verschiedenen Schriften des Neuen Testaments (233–266), von E. E. Popkes zu Röm 8,18–22 (267–291), von P. Trebilco über »fractionation«, d. h. die Frage, inwieweit in einer Stadt mehrere urchristliche Gemeinden existierten, wie sie sich zueinander verhielten und welche Faktoren die Tendenz zum Monepiskopat förderten oder hemmten (293–333), und von S. Mitchell über den paganen Monotheismus der Kaiserzeit und Spätantike (335–350). Hilfreiche Indizes beschließen den Band.

Die Beiträge sind von unterschiedlicher Qualität und in unterschiedlichem Maße über ihren Entstehungsanlass hinaus relevant. Was man – gerade im dritten Teil – vermisst, ist eine übergreifende, den Band zu einer thematischen Einheit zusammenschließende Fragestellung. Das ist im Vorgängerband »Aufgabe und Durchführung einer Theologie des Neuen Testaments« (Tübingen 2007) besser gelungen.